Bionik ist ein Kunstwort, das die beiden Begriffe Biologie und Technik miteinander verbindet. Hinter der Wortschöpfung steckt die Idee, die Natur als kreatives Konstruktionsbüro und Ideenbrunnen zu nutzen: Forscher und Entwickler der noch jungen Querschnittswissenschaft beobachten, wie Pflanzen oder Tiere Probleme bewältigen, und nutzen die genialen Errungenschaften der Natur, um Maschinen oder Gebrauchsprodukte zu verbessern. Ein Beispiel dafür ist die Sonnencreme mit Quallenschutz – eine von israelischen Forschern an Clownfischen entdeckte Substanz schützt beim Kontakt mit Nesselgiften vor schmerzhaften Hautreaktionen. Ein Sportreifen, der sich beim Bremsen ausdehnt, orientiert sich am Prinzip der Katzenpfote. Den sogenannten Lotuseffekt macht sich Fassadenfarbe zueigen, die Wände trocken und sauber hält: Durch die spezielle Mikrostruktur der Farbe perlen Schmutzpartikel einfach von der Oberfläche ab.

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Foto von Trent Erwin

Auch Wirtschaftsvertreter können sich etwas von der Natur abschauen. Davon ist beispielsweise das Malik Management Zentrum St. Gallen überzeugt, das mit dem 1. Internationalen Bionik-Kongress für das Top-Management erstmals im Frühjahr 2006 für einen Paradigmenwechsel im Management eintrat. Die Tatsache, dass die Entscheidungs- und Handlungsräume für das Management immer komplexer werden, verlange nach neuen Lösungsansätzen und Denkweisen. Von den neo-klassischen Wirtschaftstheorien gingen in dieser Hinsicht wenige Impulse aus. Stattdessen lohne es sich, die evolutionären Strategien und Prinzipien der belebten Natur zur Lösung schwieriger Managementaufgaben heranzuziehen, so die namhafte Management-Schule. „Management heißt, Entscheidungen zu treffen. Aber mit einem schlichten Entweder-Oder kommt man nicht weit, die Realität ist komplizierter. Von wem könnten Manager besser den Umgang mit komplexen Strukturen lernen als von der Natur?“ plädierte Fredmund Malik in seiner Kolumne auf manager-magazin.de für ein „Management à la nature“.

Laut Fredmund Malik verändern Bionik und ihre Schwesterdisziplin Kybernetik, die Wissenschaft vom Funktionieren komplexer Systeme, das heutige Verständnis von Unternehmen von Grund auf. Ausgangspunkt sei die Erkenntnis, dass die natürliche Evolution Lebensformen hervorbringt, die perfekt an ihre Umwelt angepasst sind. Optimal sei auch die Art und Weise, wie sich die Natur weiterentwickle: Was häufig als zufälliges Herumprobieren missverstanden werde, beschreibe in Wahrheit eine optimierte Problemlösungsmethode – die Strategie der Evolution. Den Beweis dafür habe Prof. Dr.-Ing. Ingo Rechenberg bereits in den 70er Jahren erbracht. Der Pionier, seit 1972 Inhaber des Lehrstuhls „Bionik und Evolutionstechnik“ an der Technischen Universität Berlin und derzeit kommissarischer Leiter des Fachbereichs, brachte 1973 sein erstes Buch mit dem Titel „Evolutionsstrategie – Optimierung technischer Systeme nach Prinzipien der biologischen Evolution“ (Stuttgart, Fommann-Holzboog) heraus.

Management bedeute, die Komplexität von Systemen so zu nutzen, dass sie im Wettbewerb bestehen können. Dazu brauche es höhere Fähigkeiten wie Adaptivität, Lernen, Regulierung und Selbstregulierung, Organisation und Selbstorganisation, die in modernen Branchen zu Recht als Schlüssel zum Erfolg angesehen würden. „Erfolg liegt im Einsatz geeigneter Control Systems, in der Regulierungs- und Steuerungskapazität, kurz, in der Manageability eines Systems“, erläuterte Fredmund Malik in der Kolumne.

Jedes System habe sich in existenziellen Polaritäten wie Dezentralität und Zentralität, Bewahrung und Wandel, heutiges Geschäft und neues Geschäft, Effizienz und Effektivität, Operation und Innovation, Größe und Flexibilität, Konzentration und Diversifikation, Einheit und Vielfalt, operative Einheiten und Konzerngesamtheit, innen und außen oder Gegenwart und Zukunft zu positionieren. Dabei handele es sich keineswegs um Widersprüche oder Organisationsfehler, die es zu beseitigen gelte, sondern um funktionsnotwendige Dimensionen, zwischen deren Polen immer wieder neu die Balance zu finden, zu steuern, also zu managen sei – abhängig von der Situation, in der sich ein Unternehmen befinde.

„Die Komplexität eines Managementsystems muss der Komplexität dieser Polaritäten entsprechen. Das ist durch die weit verbreitete Entweder-oder-Sichtweise nicht zu leisten, sondern nur durch ein Sowohl-als-auch-Verständnis für Management“, betont Malik. Im Besonderen gehe es um die Kunst, alle Managementfunktionen, -systeme und -instrumente zu einem funktionierenden Ganzen zu integrieren, einem kybernetischen System, das die Funktionsfähigkeit des Unternehmens mit der Komplexität seiner Außenwelt in ein sich kontinuierlich anpassendes Fließgleichgewicht bringe.

Auf Initiative des Malik Management Zentrum St. Gallen gründete sich m Jahr 2006 ein Internationales Bionik-Zentrum (Stiftung für Bionik). Diese Kommunikations- und Koordinationsplattform soll Interessenten aus Wirtschaft, Non-Profit-Institutionen und dem Bildungswesen mit den Anbietern von bionischen Lösungen zusammenbringen. Angesichts der wachsenden Komplexität in der Technik und im Management habe Bionik das Zeug, die richtigen Zündfunken für die Wirtschaft zu liefern, heißt es auf der Homepage der Stiftung.

Von der Natur lernen Manager bereits heute

  • wie man eine Organisation in Echtzeit statt mit Verzögerung steuert
  • wie man Selbst-Organisation und Selbst-Koordination etabliert und damit das Führen einfacher macht
  • wie man nachhaltige Ausbreitungs- und Wachstumsprozesse anlegt
  • wie man effiziente und robuste Kommunikation zwischen vielen Menschen gestaltet
  • wie man nach evolutionären Strategien Innovationen wirksam managt.

Weitere Informationen sind im Internet unter www.bionik-zentrum.de erhältlich.