big quit
Photo by Nick Fewings

Endlose Warteschlangen am Flughafen, versäumte Flüge, verloren gegangene Koffer und ständige Reiseprobleme – im Jahr 2022 war der Personalmangel in vielen Sektoren deutlich spürbar und besonders der Payroll-Abteilung von Unternehmen musste darunter leiden.

In der 87. der HRM Hacks besprechen Stefan Post, Geschäftsführer bei SP_Data und Alexander Petsch die Ursachen des „Big Quit“ in der Payroll-Abteilung, zeigen Lösungsansätze für Unternehmen auf und werfen einen Blick auf die Entwicklung der Payroll im kommenden Jahrzehnt.

Ursachen des „Big Quit“ in der Payroll-Abteilung

Der sogenannte „Big Quit“ beschreibt die massenhaften Kündigungen und den Abgang von Mitarbeitern aus bestimmten Branchen, die während der Pandemie verstärkt ins Rampenlicht rückten. In vielen Dienstleistungsbranchen, aber auch in der Payroll, ging der Trend dahin, Personal abzubauen, um Kosten zu sparen.

Pandemie und Wertewandel

Während der Pandemie erlebten viele Arbeitnehmer, dass es auch ohne den klassischen Büroalltag geht. Homeoffice wurde zur Norm, die Technik funktionierte gut, und viele Menschen mussten plötzlich feststellen, dass sie mit weniger arbeiten konnten und dabei weiterhin die gleichen Ergebnisse erzielten. Einige Unternehmen setzten bereits in dieser Zeit auf Personalabbau – nicht nur in der Gastronomie und im Tourismus, sondern auch in der Payroll. So mussten viele Unternehmen feststellen, dass sie nicht nur im Urlaubsort, sondern auch in der Gehaltsabrechnung eine spürbare Lücke hatten.

Branchenwechsel und Fachkräftemangel

Der Trend zum Branchenwechsel hat viele Arbeitnehmer getroffen, die die Payroll-Abteilungen hinter sich ließen und neue berufliche Wege einschlugen. Der Wertewandel, der durch Corona beschleunigt wurde, führte dazu, dass immer mehr Menschen in Berufen arbeiten wollen, die ihre Werte und Wünsche besser widerspiegeln. Der Fachkräftemangel – besonders in spezialisierten Bereichen wie der Gehaltsabrechnung – verschärfte sich während und nach der Pandemie weiter. Die Nachfrage nach qualifizierten Payroll-Expert überstieg das Angebot, was den Personalmangel weiter anheizte.

Lösungsansätze: Wie Unternehmen gegensteuern können

Obwohl der Personalmangel in der Payroll eine Herausforderung darstellt, gibt es verschiedene Ansätze, mit denen Unternehmen diesen Mangel bekämpfen und ihre Gehaltsabrechnungen weiterhin effizient durchführen können.

Die Tradition der Ausbildung fortführen: Selbst ausbilden

In Deutschland haben Unternehmen traditionell ihre eigenen Payroll-Expert ausgebildet. Da Entgeltabrechner oder Personalabrechner keine anerkannten Ausbildungsberufe sind, war die Ausbildung meist Teil einer kaufmännischen Ausbildung oder eines betriebswirtschaftlichen Studiums. Dies hat den Vorteil, dass Unternehmen talentierte Mitarbeiter

mit den nötigen Fachkenntnissen aufbauen und ihnen gleichzeitig die spezifischen Anforderungen der eigenen Firma vermitteln können. Der Fokus sollte auf der Ausbildung von Auszubildenden im kaufmännischen Bereich oder der Weiterbildung von Quereinsteiger liegen, die durch ein betriebswirtschaftliches Studium bereits über eine solide Grundlage verfügen.

Recruiting neu denken: Active Sourcing und Quereinsteiger

Die klassische Methode des Personalrekrutierens hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Active Sourcing, also das gezielte Ansprechen von potenziellen Kandidat über soziale Netzwerke wie LinkedIn, wird zunehmend wichtiger. Zudem kann es sinnvoll sein, Kandidat aus verwandten Bereichen zu gewinnen, wie etwa Steuerfachangestellte, die mit den grundlegenden Anforderungen der Gehaltsabrechnung bereits vertraut sind. Durch ein attraktives Gehaltspaket und die Aussicht auf bessere Arbeitsbedingungen können Unternehmen diese Fachkräfte für die Payroll gewinnen.

Weiterbildung nutzen: Externe Schulungen und Software-Training

Wenn Experten aus der Payroll-Abteilung das Unternehmen verlassen, können Wissenslücken entstehen. In diesem Fall bieten spezialisierte Fachverlage, wie Haufe oder Data Context, sowie Softwareanbieter umfangreiche Weiterbildungsangebote an. Diese ermöglichen es neuen und bestehenden Mitarbeitenden, sich das notwendige Fachwissen anzueignen. So können Unternehmen nicht nur von externem Know-how profitieren, sondern auch die interne Kompetenz kontinuierlich ausbauen.

Automatisierung von Prozessen

Automatisierung ist ein weiterer Schlüssel, um den Personalmangel in der Payroll-Abteilung zu begegnen. Durch den Einsatz von Software, die bestimmte Berechnungen automatisch vornimmt, können manuelle Eingaben reduziert und die Arbeitsbelastung der Mitarbeitenden verringert werden. Zudem können wiederkehrende Aufgaben, wie etwa das Erstellen von Abrechnungen, durch sogenannte Batch-Verfahren im Hintergrund ablaufen. Dies spart Zeit und ermöglicht es, mit weniger Personal mehr zu erreichen.

Internationale Fachkräfte und Offshore-Lösungen

Ein Ansatz, den einige Unternehmen verfolgen, ist die Auslagerung von Aufgaben ins Ausland. Besonders in Osteuropa gibt es eine Vielzahl qualifizierter Fachkräfte, die in der Gehaltsabrechnung tätig sind. Jedoch birgt dieser Ansatz auch Herausforderungen, insbesondere bei der spezifischen Gesetzgebung und den Fachbegriffen in Deutschland. Payroll ist ein sehr spezialisiertes Gebiet, und viele Unternehmen haben festgestellt, dass es schwierig ist, deutsche rechtliche Anforderungen und Begriffe in anderen Ländern zu vermitteln. Dennoch kann es sinnvoll sein, Fachkräfte aus dem Ausland zu integrieren, wenn die Kommunikation und Integration in die deutsche Gesetzgebung gewährleistet ist.

Die Zukunft der Payroll: Automatisierung und Integration von HR-Software

Die Zukunft der Payroll wird vor allem durch zwei Faktoren bestimmt: Automatisierung und die Integration von HR-Software. In den letzten Jahrzehnten wurden viele Prozesse der Gehaltsabrechnung automatisiert, doch es bleibt noch viel Potenzial. In den kommenden Jahren wird es vor allem darauf ankommen, bestehende Systeme weiter zu integrieren und über intelligente Schnittstellen miteinander zu vernetzen. Unternehmen sollten darauf achten, dass ihre HR-Software verschiedene Module miteinander verknüpfen kann, um Medienbrüche zu vermeiden und eine reibungslose Datenverarbeitung zu gewährleisten.

Ein weiteres wichtiges Thema wird die Anpassung an gesetzliche Veränderungen sein. Hier stehen Unternehmen und Softwareanbieter vor der Herausforderung, immer auf dem neuesten Stand der Gesetzgebung zu bleiben und die entsprechenden Meldeverfahren umzusetzen. In Deutschland, wo die Gesetzgebung in Bezug auf Arbeitsrecht und Sozialversicherung sehr komplex ist, müssen Unternehmen regelmäßig Updates einspielen, um sicherzustellen, dass die Gehaltsabrechnung korrekt erfolgt.

Der „Big Quit“ hat somit die Payroll-Abteilungen vieler Unternehmen hart getroffen. Doch durch gezielte Ausbildungsmaßnahmen, innovative Rekrutierungsstrategien, den Einsatz von Automatisierung und die kontinuierliche Weiterbildung des Teams können Unternehmen den Personalmangel in den Griff bekommen. Die Herausforderung wird es sein, qualifizierte Fachkräfte zu finden und langfristig zu binden. Unternehmen müssen ihren Payroll-Bereich kontinuierlich an die sich wandelnden Bedürfnisse und Anforderungen der Arbeitswelt anpassen, um die Gehaltsabrechnung auch in Zukunft effizient und zuverlässig durchführen zu können.

Die Zukunft der Payroll liegt in der optimalen Nutzung von Technologie, der kontinuierlichen Integration neuer Softwarelösungen und der Ausbildung von Fachkräften, die nicht nur in der Lage sind, komplexe gesetzliche Anforderungen zu erfüllen, sondern auch das Potenzial zur Automatisierung und Prozessoptimierung zu erkennen und umzusetzen.