Trotz Ausbildungsplatzmisere und hoher Arbeitslosigkeit mangelt es in der Hotelbranche seit vielen Jahren an qualifizierten Nachwuchskräften. Obwohl Mitarbeiter in der Branche gute Aufstiegsmöglichkeiten haben, ist die Fluktuation hoch. Viele Hotelmitarbeiter scheuen die Herausforderung des permanenten Kundenkontakts und die unattraktiven Arbeitszeiten.

white desk lamp near green potted plant on table
Foto von Damian Patkowski

Dabei ist gut geschultes, freundliches und motiviertes Personal das wichtigste Kapital in einer Branche, die sich im Konsolidierungsprozess befindet. Während die Ausstattung der Hotels immer ähnlicher wird, sind es die Mitarbeiter, die für Atmosphäre sorgen und dafür, dass die Gäste gerne wiederkommen. Umgekehrt heißt das: Wenn ein Gast von sauertöpfischem Hotelpersonal umgeben ist und der Service nicht stimmt, wird er die nächste Tagung sicherlich in einem anderen Hotel veranstalten.

Keine Standards, keine Sicherheit

Diese Erfahrung musste auch Stephan Bode machen, als er im Juni des Jahres 2002 seine neue Stelle als Geschäftsführer des Seehotels Zeulenroda, Thüringen, antrat. Das Hotel, das zu DDR-Zeiten ein Ferienheim des Freien Deutschen Gewerkschaftsbunds war und 1999 von der Bauerfeind AG übernommen wurde, hatte nach vollständigem Umbau und Sanierung bereits vier Hoteldirektoren „verschlissen“.

Das hinterließ natürlich Spuren bei der bestehenden Belegschaft: Die häufigen Managementwechsel, die mit jeweils neuen Managementstrategien verbunden waren, führten bei den Mitarbeitern zu Unsicherheiten im Umgang mit den Kunden und miteinander. Die Motivation, gute Arbeit abzuliefern, war stark gesunken. Es gab außerdem weder eine Marktausrichtung noch klare Qualitätsstandards.

„Eine komplizierte Situation! Der Teamgedanke spielte keine Rolle, die Qualität der Serviceleistungen ließ zu wünschen übrig, Gäste des Hauses waren häufig unzufrieden, und die Reklamationsquote war entsprechend hoch“, schildert Stephan Bode die damalige Situation. Als eine der dringlichsten Aufgaben sah er die Entwicklung und Sicherung einer kontinuierlichen Qualität der Gästebetreuung an.

Orientierung geben

 

Wichtig für ihn war es, den Mitarbeitern zunächst wieder Orientierung zu geben. In einem Workshop mit einem externen Trainer erarbeiteten die Mitarbeiter zehn Spielregeln für den Umgang miteinander und mit den Gästen sowie klare Zielsetzungen. Darin heißt es unter anderem: „Wir schätzen und respektieren den Menschen und das Produkt gemeinsamer Arbeit.“

Inzwischen sind eine Reihe weiterer Maßnahmen im Hotel umgesetzt worden, unter anderem regelmäßig stattfindende Mitarbeitergespräche, in denen die Angestellten ihr Tun im Unternehmen reflektieren, die Wahl eines Mitarbeiters des Monats sowie die Beteiligung der Mitarbeiter am Jahresergebnis. „Dies soll das Gefühl vermitteln: Nicht das Unternehmen finanziert uns, nicht die Gäste, sondern wir haben es selbst in der Hand“, erklärt Stephan Bode. Im Januar besuchte ein interaktives Unternehmenstheater das Hotel. Auf der Agenda standen Fragen der Beziehung zwischen Gästen und der Servicemannschaft – also von Mensch zu Mensch. Beim Durchspielen verschiedener Situationen konnten die Mitarbeiter erkennen, wie sie auf Gäste wirken und welche Gefühle eine bestimmte Handlung bei den Gästen erzeugt. Heute sind Rollenspiele in einzelnen Abteilungsmeetings beinahe selbstverständlich, um immer wieder in die Gefühlswelt des anderen einzutauchen.

Vorläufiger Höhepunkt im Personalentwicklungsprogramm wird ein dreitägiger Ausflug mit allen Abteilungsleitern und Stellvertretern sein. Hier steht unter anderem die Erarbeitung eines ganzheitlichen Qualitätsmanagements auf dem Programm.

Herzlichkeit und Wohlgefühl

 

Seit der Einführung dieser Maßnahmen hat nach Auskunft des Direktors eine „unheimliche Dynamik“ eingesetzt. Wer heute das Seehotel Zeulenroda betritt, fühlt sich nach der freundlichen Begrüßung gleich wie zu Hause. Service und Freundlichkeit ist für die 72 Mitarbeiter und 34 Auszubildenden ganz selbstverständlich geworden.

Diese Veränderungen wirken sich auch auf die Stellung des Hotels auf dem Markt aus. Als Stephan Bode in Zeulenroda begann, lautete seine mittelfristige Zielsetzung: Das Seehotel Zeulenroda wird eines der drei führenden Tagungs- und Eventhotels in Deutschland. Dies ist nach drei Jahren in greifbare Nähe gerückt: Beim Wettbewerb „Die besten Tagungshotels in Deutschland“ erreichte das Hotel in der Kategorie Kongress einen zweiten Platz und zählt zu den exzellenten Tagungshotels in Deutschland. „Nur über das weiche Element – die Herzlichkeit und das Wohlgefühl – können wir es schaffen, unseren Kunden und uns einen Mehrwert zu bieten, denn der Wettbewerb in Hotellerie und Dienstleistung ist groß. Die Hotels werden immer schöner. Deshalb muss der Schlüssel der Mensch sein“, fasst Stephan Bode zusammen.

Die Achtsamkeit fördern

 

Dass Personalentwicklung und Motivation nicht nur für diejenigen Hotels, die sich noch einen Namen machen wollen, wichtig sind, zeigt das Beispiel Schindlerhof. Das Nürnberger Hotel, das bereits seit Jahren eine Top-Adresse im Tagungsbereich ist, führte vor drei Jahren den Mitarbeiteraktienindex MAX ein. Das Motivationsinstrument wurde gemeinsam mit der Fachhochschule Würzburg/Schweinfurt entwickelt und wird heute in zwölf anderen Firmen eingesetzt, unter anderem einer Bank, einem Pflegedienst, einer Steuerkanzlei und im Einzelhandel.

„Personalentwicklung und Motivation sind das A und O in der Hotelbranche“, sagt Inhaber Klaus Kobjoll. „Denn für die emotionale Berührung ist nicht der riesige Wellnessbereich ausschlaggebend, den sowieso keiner bezahlen kann, sondern die Freundlichkeit der Mitarbeiter.“ Da die Anforderungen der Kunden ständig steigen, müssen auch die Leistungen der Mitarbeiter laufend verbessert werden. „Es genügt nicht mehr, einen Kunden als VIP zu behandeln, sondern jeder möchte seine individuellen Wünsche berücksichtigt bekommen“, meint er. Deshalb hat er MAX zusätzlich zu den bisherigen Incentiveprogrammen wie freie Dienstwagenwahl, zinsfreien Darlehen und Pralinen bei der Rückkehr aus dem Urlaub eingeführt, um die Achtsamkeit der Mitarbeiter zu fördern. „Die Incentives machen vielleicht drei Prozent der Motivation aus. Die wirkliche Motivation entsteht aber durch die Übernahme von Verantwortung und totale Transparenz im Unternehmen.“

Der Aktienwert des Mitarbeiters

So werden nicht nur jeden Tag die Umsatzzahlen der jeweiligen Teams offen dargelegt. Noch mehr Transparenz generiert der Schindlerhof mit dem Mitarbeiteraktienindex (MAX), der monatlich den Aktienwert jedes einzelnen Mitarbeiters festlegt, dem Teamindex (TIX), der die einzelnen MAX-Indizes je Abteilung oder Team zusammenführt, und dem Communityindex (CIX), der den Wert des Unternehmens ermittelt. Einmal im Monat muss jeder Mitarbeiter sich nach folgenden Kriterien selbst analysieren: Arbeit mit einem Zeitplanbuch, Verbesserungsvorschläge, Fehlerquote, Note aus dem jährlichen Beurteilungsgespräch, Fehlzeiten, Pünktlichkeit, freiwillige Projektmitarbeit, Rauchen, Body- Mass-Index (Körpergewicht), Abmahnung, Weiterbildung und Jubiläum. Wichtig für den Hotelier ist zum einen das spielerische Element und zum anderen die Selbstkritik, die die zweimal jährlich stattfindenden Mitarbeitergespräche weitgehend obsolet macht. „Heute genügt es, dass ich mit den Mitarbeitern, bei denen sich auffällige Schwankungen ergeben, ausführlich spreche“, erklärt er.

Der Mitarbeiterwert sinkt

 

Während MAX beim Team des Schindlerhofs (51 Vollzeitkräfte, 21 Auszubildende) gut ankommt – laut Kobjoll gab es nur wenige Mitarbeiter, die wegen MAX gekündigt haben, diese hätten aber auch zu den „unteren fünf“ gehört – war die Fachwelt geteilter Meinung. Kritisiert wurde unter anderem die Frage, ob alle Beurteilungskriterien gerechtfertigt sind, und die Tatsache, dass nach diesem Ansatz jeder Mitarbeiter kontinuierlich an Nutzen verliert und der Aktienwert monatlich mit einem Prozent abgeschrieben wird. Letzteres ist für den Hotelier sehr wichtig, weil Stillstand in der Hotelbranche bedeutet, dass man mit den immer steigenden Anforderungen der Kunden nicht mehr mithalten kann. „Deshalb war die einprozentige Abschreibung das einzige Kriterium, das auf meinen Wunsch eingeführt wurde. Alle anderen haben die Mitarbeiter gemeinsam in einem Workshop erarbeitet“, erklärt er. Diese könnten und sollten in anderen Geschäftszweigen ganz anders ausgefüllt werden. „Aber in der Hotelbranche ist es nun mal wichtig, wie eine Servicekraft aussieht“, so Kobjoll, der selbst wegen des Kriteriums „Body-Mass-Index“ in den vergangenen drei Monaten zwölf Kilo abgenommen hat.

Nicht nur beim Chef selbst hat die Einführung von MAX Spuren hinterlassen. So ist die Teilnahme an Weiterbildungen um 20 Prozent, die Umsetzungsquote bei Verbesserungsvorschlägen von 68 auf 83,5 Prozent gestiegen und die Krankentage haben sich von acht auf vier Tage pro Jahr halbiert.

Ausgezeichnet für Vision und Führung

 

Im Gegensatz zum Schindlerhof ist das Kloster Hornbach ein relativ junges und kleines Hotel. Im Jahr 2000 haben die Inhaber Christiane und Edelbert Lösch den Geschäftsbetrieb aufgenommen. Im Jahr 2005 erhielten sie bereits eine Auszeichnung im Wettbewerb „Top- Arbeitgeber im deutschen Mittelstand“, als Kategoriensieger in der Kategorie „Vision & Führung“ und als Beste in der Größenklasse bis 99 Mitarbeiter.

Für Christiane Lösch war dies ein überraschendes Ergebnis: „Denn wir haben nicht einmal eine richtige Personalabteilung, die diese Themen ausarbeitet.“ Gleichzeitig empfand sie die Auszeichnung als wichtige Bestätigung dafür, dass sich das Hotel auf dem richtigen Weg befindet und hat die Preisverleihung natürlich auch zur internen Kommunikation genutzt. Zusammen mit dem Inhaberpaar durften mehrere Führungskräfte und die zwei besten Auszubildenden die Galaveranstaltung besuchen. Diese haben die Argumente der Jury plakativ an ihre Kollegen weitergegeben und sie mit ihrer Begeisterung angesteckt.

Belohnung für Leistung ist aber nur ein Aspekt der Personalentwicklung im Kloster Hornbach. Ein ganz wichtiges Element ist die Weiterbildung. So kann Christiane Lösch von einer Auszubildenden berichten, die am Ende ihrer Lehrzeit 16 Schulungszertifikate vorweisen kann. Ein weiteres Element ist die von einer offenen Kommunikation geprägte Firmenkultur. So arbeiten Bewerber für Ausbildungsstellen zunächst auf Probe und werden erst eingestellt, wenn auch die Kollegen einverstanden sind. Auch Auszubildende dürfen hierbei ihre Meinung kundtun – so auch in anderen Fällen, zum Beispiel, wenn ihnen bei einem Kollegen etwas verbesserungsbedürftig erscheint. „Wir stehen alle auf einem Level, denn wir haben vor allem ein Ziel, das Beste für die Gäste zu leisten“, sagt die Inhaberin.

Die Mönche standen Pate

 

Das Besondere an der Mitarbeiterführung im Kloster Hornbach ist allerdings, dass diese an den Benediktinerregeln ausgerichtet ist. Dort heißt es unter anderem „Jeder ist bei uns willkommen. Jeder wird ein Bett für eine Nacht und ein Essen bekommen“ – ein treffender Bezug zur Hotelbranche. Aber auch viele Anleitungen zum Umgang miteinander sind der Schrift des heiligen Benediktus zu entnehmen.

Ein Grund für die Einführung ist, dass sich das Inhaberpaar schon während der Bauzeit stark mit der Klosterkultur auseinander gesetzt hat. Denn das Hotel in der Nähe der französischen Grenze ist auf der Ruine eines Benediktinerklosters aus dem 8. Jahrhundert entstanden. „Das Wichtigste der Prinzipien des mönchischen Managements ist die gegenseitige Wertschätzung. Es geht darum, dass die Kollegen untereinander ihre Stärken stützen aber auch ihre Schwächen akzeptieren“, erklärt Christiane Lösch. „Gerade in der Hotelbranche ist es wichtig, dass Menschen nicht versuchen, sich in bestimmte Schablonen zu pressen. Natürlichkeit ist es, was die Gäste vom Servicepersonal einfordern.“

Konstante Optimierung

 

Das „Prinzip Kloster Hornbach“, das auf der alten Benediktinerregel basiert, haben Geschäftsleitung und Mitarbeiter zusammen mit einem externen Trainer erarbeitet. Inzwischen wird es einmal pro Jahr gemeinsam mit den Mitarbeitern weiterentwickelt und neuen Mitarbeitern erläutert. Abgesehen davon gibt es zahlreiche weitere Personalentwicklungsinstrumente, zum Beispiel jährliche Orientierungsgespräche oder Motivationsseminare zum „Fish!“-Prinzip. Besonderen Wert legen die Inhaber außerdem auf die Teambildung und die konstante Optimierung der Strukturen.

Für ein Hotel in der Größenordnung des Klosters Hornbach (34 Zimmer, 45 Mitarbeiter und 15 Auszubildende) ist das eine ganze Menge. Aber Christiane Lösch sieht auch den Bedarf. Sie glaubt, dass man in der Branche ohne Personalentwicklung nicht mehr weiterkommt: „Heute genügt es nicht mehr, Gäste zufriedenzustellen, wir müssen die Gäste begeistern. Und das geht nur über begeisterte Mitarbeiter.“ Dies hätten allerdings bisher wenige Hotels ihrer Größe erkannt, so die Inhaberin. „Aber wir hatten auch das Glück, dass wir keinen bestehenden Betrieb übernommen haben, sondern von Anfang an unsere eigenen Ideen entwickeln konnten.