Entscheidung

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Die Revision des Arbeitnehmers war unbegründet, da er die auf die Gehälter für September und Oktober 2013 entfallende Lohnsteuer und den von ihm zu tragenden Anteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag ohne rechtlichen Grund erhalten hatte. Die betreffenden Beträge waren zwar Bestandteil des (Brutto-)Entgeltanspruchs, so dass das Unternehmen zur Zahlung verpflichtet war. Der Angestellte hatte allerdings keinen Anspruch auf Auszahlung, sondern nur auf Einbehalt und Abführung an die zuständigen Stellen. Die versehentliche Leistung der nicht zur Auszahlung bestimmten Entgeltbestandteile begründete deshalb einen bereicherungsrechtlichen Anspruch.

Hieran änderte auch die Verurteilung zur Zahlung des Bruttoarbeitsentgelts nichts. Daraus folgte nicht, dass der Arbeitnehmer die auf den Lohn entfallenden Steuern und Beiträge endgültig behalten durfte. Der Zusatz „brutto“ verdeutlicht nur das, was ohnehin von Gesetzes wegen galt (vgl. BAG, Beschl. v. 17.2.2016 – 5 AZN 981/15, BAGE 154, S. 116). Eine Entreicherung, auf die sich der Arbeitnehmer nur hätte berufen können, wenn er die Beträge selbst abgeführt hätte, lag nicht vor. Die Arbeitgeberin hatte den Gesamtbetrag zudem versehentlich und nicht freiwillig in Kenntnis der Nichtschuld geleistet.

Konsequenzen

Bei der Zahlung des Arbeitsentgelts haben die Arbeitsvertragsparteien öffentlich-rechtliche Pflichten zu beachten. Die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit unterliegen der Einkommensteuer (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 EStG), die vom Arbeitnehmer geschuldet ist (§ 38 Abs. 2 EStG). Zudem hat er den Arbeitnehmeranteil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags zu tragen (§ 28g SGB IV).

Der Arbeitgeber hat wiederum für den Arbeitnehmer die Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen (§ 38 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 EStG) und den Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Einzugsstelle zu zahlen (§ 28e Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IV). Diese Lohnbestandteile sind Teil des (Brutto-)Entgeltanspruchs. Deshalb erfüllt der Arbeitgeber mit dem Einbehalt und der Abführung (auch) seine Zahlungspflicht gegenüber dem Mitarbeiter (BAG, Urt. v. 9.8.2016 – 9 AZR 417/15).

Der Beschäftigte hat keinen Anspruch auf Zahlung an sich, sondern nur auf Einbehalt und Abführung (BAG, Urt. v. 30.4.2008 – 5 AZR 725/07, BAGE 126, S. 325). Wird der Verpflichtung oder einem Urteilstenor der Zusatz „brutto“ beigefügt, führt dies zu keiner Abweichung von den gesetzlichen Pflichten des Arbeitgebers (vgl. BAG, Beschl.v. 17.2.2016 – 5 AZN 981/15, BAGE 154, S. 116).

Werden versehentlich Überzahlungen an einen Mitarbeiter geleistet, kann man diese nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB erstattet verlangen. Die versehentliche Auszahlung dazu nicht bestimmter Entgeltbestandteile an den Arbeitnehmer begründet einen bereicherungsrechtlichen Anspruch des Arbeitgebers unabhängig davon, ob dieser seine Abführungspflichten schon erfüllt hat.

Problempunkt

Die Parteien haben über die Rückzahlung irrtümlich ausgezahlter Entgeltbestandteile gestritten. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers, dessen Gehalt 4.200 Euro brutto pro Monat betrug, zum 31.10.2013. Für die letzten beiden Monate führte sie zwar die Lohnsteuer, den Solidaritätszuschlag und die Sozialversicherungsbeiträge ab. Das Nettoentgeltzahlte

sie jedoch nicht aus, da sie sich auf Schadensersatzansprüche wegen grober Fehler des Mitarbeiters berief. In dem anschließenden Rechtsstreit machte der Arbeitnehmer die ausstehende Bruttovergütung geltend, der Arbeitgeber verlangte widerklagend

Schadensersatz von knapp 31.000 Euro. Das ArbG Bamberg verurteilte die Arbeitgeberin zur Zahlung von 8.400 Euro brutto nebst Zinsen und

wies die Widerklage ab. Hieraufhin rechnete die Buchhalterin der Arbeitgeberin die Vergütung für September und Oktober 2013 ab und überwies am 16.6.2014 versehentlich den Gesamtbetrag von 8.400 Euro nebst Zinsen an den Arbeitnehmer. Die Arbeitgeberin verlangte die Erstattung der bereits abgeführten und damit irrtümlich doppeltgezahlten Beträge. Das ArbG Bamberg gab der Klage statt. Das LAG Nürnberg wies die Berufung des Mitarbeiters zurück.

Praxistipp

Das Zivilrecht kennt zwar die Begriffe „brutto“ und „netto“ nicht; deren Verwendung hat sich dennoch im Arbeitsrecht verfestigt. Der 5. Senat führt seine bisherige Rechtsprechung (zuletzt BAG v. 17.2.2016, a. a. O.) fort und stellt klar, dass nur die ausdrückliche Verwendung des Begriffs „netto“ auf eine Nettolohnvereinbarung schließen lässt. Nur eine solche ändert die gesetzliche Verteilung der Steuer- und Beitragslast. Wird im Antrag, Tenor oder in einer Vereinbarung ein Zahlungsbetrag gar nicht näher oder als „brutto“ bezeichnet, enthält er Lohn-, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag sowie den Arbeitnehmeranteil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Bei der Zahlung von Arbeitsentgelt verdeutlicht der Zusatz „brutto“ damit nur die ohnehin eintretenden gesetzlichen Folgen. Demgemäß sollte der Begriff „brutto“ auch zur Klarstellung inArbeitsverträgen und Anträgen der Summe hinzugesetzt werden.

 
 
RA und Notar Dr. Ralf Laws LL.M. M.M.,
FA für Arbeitsrecht und Steuerrecht,
Fachberater für Unternehmensnachfolge, Brilon


 
Mit freundlicher Genehmigung der HUSS-MEDIEN GMBH aus AuA 8/17,  Seite 488