Über die Trainerin
Verena Bürkler ist Erwachsenbildnerin, Trainerin
und Seminarleiterin für Autogenes Training.
Als Dozentin bildet sie an der Schweizer Swiss Prävensana Akademie Rapperswil Prävensanologen, Mentaltrainer und Wellnessfachfrauen aus. Für Privatpersonen und Firmen bietet sie regelmässig Einzel- und Gruppenkurse an; in der Vergangenheit arbeitete sie unter anderem mit Unternehmen wie der Helsana in Winterthur, der Schweizerischen Unfallversicherung Suva und Hoffmann-La Roche zusammen. Verena Bürkler ist vorwiegend im Bodenseeraum tätig.
Weitere Informationen: herzbewegend.ch
„Es gibt nicht das eine, für alle Menschen
gleiche Autogene Training.“
Welchen Vorteil haben geführte Übungseinheiten im Autogenen Training für Unternehmen?
Es liesse sich kritisch anmerken, dass Interessierte anhand von überall verfügbarer Literatur
die Methode selbst erlernen könnten.
Es ist wichtig, Empfindungen, Gefühle oder Schwierigkeiten, die beim Üben aufkommen, besprechen zu können. Daher empfehle ich Interessierten nicht, die Übungen alleine zu lernen. Natürlich sollen sie später selbständig mit der Methode arbeiten können. Das Wichtigste beim Autogenen Training ist ja das „Autogene“, also aus sich selbst Entstehende. Für Unternehmen besteht der Vorteil bei geführtem Training darin, dass die Mitarbeiter langsam an dasselbe herangeführt werden. Haben diese den sechswöchigen Grundkurs durchlaufen, sind sie im Üben völlig unabhängig und trainieren erfahrungsgemäss selbstverantwortlich weiter.
Wie sind Sie eigentlich selbst zum Autogenen Training gekommen?
In einer beruflich sehr herausfordernden Zeit. Es half mir, gesund zu bleiben und faszinierte mich. Ich wollte alles über diese Methode lernen. Ich habe dann diverse Ausbildungen absolviert, darunter auch beim inzwischen verstorbenen Dr. Hans-Günther Lindemann. Er galt als internationale Kapazität des Autogenen Trainings. Wegweisend war für mich zudem Dr. Heinrich Wallnöfer. Er hat als Psychotherapeut und Coach zahlreiche Gesundheitsbücher geschrieben, darunter über Autogenes Training. Für die Fortgeschrittenen-Methodik selbst entwickelte er spezielle Techniken. Auch bei ihm bin ich in die Ausbildung gegangen. Das Autogene Training hat für mich nie an Anziehungskraft verloren. Am meisten begeistert mich persönlich, dass ich mit meiner eigenen Sprache, mit meinen Vorstellungen und Gedanken arbeiten kann und damit ein Training entwickle, das aus mir selbst entsteht. Mit anderen Worten: Es gibt nicht das für alle Menschen allgemeingültige Übungsprogramm. Jeder Mensch kreiert ausgehend vom Grundkurs mit seinen Formulierungen, seinem Übungsrhythmus und seinen Bildern sein uniques Training.
Frau Bürkler, herzlichen Dank für das Interview.
Frau Bürkler, Autogenes Training ist vielen Menschen ein Begriff. Doch nicht ebenso viele Personen praktizieren es auch. Welche Vorbehalte gibt es Ihrer Erfahrung nach gegenüber dieser Entspannungstechnik?
Der Begriff „Autogenes Training“ weckt die unterschiedlichsten Vorstellungen. Wenige kennen die Methode und ihre Wirkweise. Sie haben das Gefühl, das Autogene Training sei aufwendig und teilweise esoterisch. In Tat und Wahrheit handelt es sich aber um eine prägnante, konzentrative und rasch zu erlernende Entspannungsmethode. Die Ausübung erfordert keinerlei Hilfsmittel. Zudem ist die Wirkungsweise wissenschaftlich sehr gut fundiert. So haben Dr. Sirko Kupper und Friedhelm Stetter bereits im Jahr 2002 eine Metaanalyse von Studienpublikationen zum Autogenen Training für die Jahre 1952 bis 1999 veröffentlicht, welche die positiven Effekte belegt.
Ergebnisse der Hirnforschung weisen inzwischen auch die heilsame Wirkung von alternativen Gesundheitsmethoden wie zum Beispiel Yoga nach, vor zehn bis zwanzig Jahren galten diese noch als recht speziell. Autogenes Training wird in Deutschland sogar offiziell innerhalb der Psychotherapie angewendet. Wie wirkt es auf Geist und Körper?
Konkret wirkt es zuerst auf den Körper. Wir beeinflussen über unsere Vorstellungen und Gedanken die Funktionen unseres autonomen Nervensystems, das heisst wir beeinflussen unsere Muskelspannung, unsere Blutgefässe, unser Herz, unsere Atmung, unsere Verdauung und unsere Sinne. Das lässt uns entspannen, unser Körper baut schädigende Stresshormone ab. Wir bringen Anspannung und Entspannung in die Balance, wir sind also balanciert.
Auf geistiger Ebene erzeugen wir durch Autogenes Training einen sogenannten Alpha-Zustand, das ist ein entspannter Wachzustand. Diesen kennt jeder von uns. Wir alle erreichen ihn mindesten zwei Mal am Tag auf natürliche Weise, nämlich einmal vor dem Einschlafen und kurz nach dem Aufwachen. In diesem Wachzustand öffnet sich unser Geist. Wir sind achtsam und kreativ. Im Alpha-Zustand fällt es uns leichter, neue Pfade zu beschreiten, Glaubenssätze verlieren ihre Wirkung.
„Der Körper reagiert auf Stress nach
stetiger Übung mit Umschalten.“
Inwiefern nützt es Lernenden, Autogenes Training zu üben?
Diese Menschen brauchen vor allem Konzentrationsfähigkeit, müssen aber auch psychisch belastbar sein. Das ist wichtig, um in Stresssituationen wie Prüfungen ruhig zu bleiben und Lerninhalte besser abzurufen, beziehungsweise zu verarbeiten. Regelmässiges Trainieren der Konzentrations- sowie Entspannungsübungen fördert all diese Fähigkeiten. Der Körper eines autogen Trainierenden schaltet schneller vom Anspannungszustand in die Entspannung um. Er reagiert mit Entspannung.
Im Autogenen Training gibt es verschiedene Übungsgrade. Je nachdem, wie leicht sich jemand entwickelt, erfordert das vollständige Erlernen der Level mehr oder weniger Zeit. Welche Erfahrungswerte können Sie als Trainerin unseren Lesern dazu weitergeben, wann stellen sich erfahrungsgemäss die ersten Erfolge ein?
Der Grundkurs dauert sechs Wochen. Übende haben jedoch wöchentlich nur eine Stunde Trainingsaufwand. In dieser Kursphase erleben die meisten Menschen bereits, dass sie sich stärker konzentrieren können und achtsamer als zuvor sind. Im weiteren Übungsverlauf sind zum Teil beachtliche Ergebnisse möglich. Je nachdem, wie regelmässig jemand trainiert, können sich sogar schwerere Beeinträchtigungen innerhalb eines Jahres massiv verbessern.
„Wie mit Fremdsprachen – üben, üben, üben.“
Ist laufendes Training nötig, um fit zu bleiben oder reicht es,
punktuell zu trainieren; zum Beispiel in besonders herausfordernden Zeiten?
Es ist mit dem Autogenen Training wie mit dem Erlernen, beziehungsweise Erhalten einer Fremdsprache. Sprechen Sie diese kaum oder nicht mehr, wird es immer schwieriger, sie anzuwenden. Vor allem in besonders herausfordernden Zeiten hilft es uns, wenn wir auf Automatismen zurückgreifen können. Den Automatismus der Schnellumstellung in den Entspannungszustand des Körpers erreichen wir nur durch regelmässiges Trainieren. Ich verdeutliche dies gern an einer Formel. Sie lautet „2 x 3 x 7“ und bedeutet: Zweimal täglich drei Minuten Autogenes Training und das siebenmal in der Woche. Das ist umgerechnet nicht einmal eine Stunde pro Woche, die wir in unsere Gesundheit investieren.
Angenommen, Unternehmen möchten Beschäftigten im Betrieb Gelegenheit
zu Autogenem Training geben, welche Rahmenbedingungen
müssten sie konkret gewährleisten?
Sie brauchen meines Erachtens einen Trainer, einen abgeschlossenen Raum – zum Beispiel den Sitzungsraum und einen bequemen Stuhl. Dazu sollten Sie die zu fördernde Person während einer Laufzeit von sechs Wochen wöchentlich eine Stunde von der Arbeit ausnehmen. Für das tägliche Training ist in jedem Fall wichtig, dass ein ruhiger Ort zur Rückzugsmöglichkeit geboten wird. Bei fortgeschrittenem Training können Übungen auch im Zug, draussen auf einer Bank oder beim Gehen gemacht werden.
„Autogenes Training – präventiv und begleitend.“
Mit Autogenem Training lässt sich offenbar viel erreichen,
was könnten sich Lernende jedoch keinesfalls davon erhoffen?
Autogenes Training kann zwar unter ärztlicher Kontrolle zu jeglichen Therapien eingesetzt werden. Aber es ist eine präventive und begleitende Methode, die dazu dient, Anspannung und Entspannung zu balancieren.
Was raten Sie Menschen, die meinen, Autogenes Training
sei doch lediglich Kosmetik für ihre Lernschwierigkeiten;
nach dem Motto: Mit ein paar Vorstellungen löst man
keine Blockaden?
Diesen Menschen würde ich antworten: Ja, mit ein paar Vorstellungen ist es tatsächlich nicht getan. Tägliches Trainieren ist ein Muss. Ich erinnere an dieser Stelle nochmal: Um Blockaden – also mit Ihrem Beispiel gesprochen „Lernblockaden“ – zu lösen, sollten wir für den entspannten Wachzustand Konzentration üben. Dann sind wir ruhig und gelassen und senken den Stresspegel.