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Welche arbeitsrechtlichen Regelungen gelten Naturkatastrophen können Schäden in Milliardenhöhe verursachen. Was müssen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber in arbeitsrechtlicher Hinsicht beachten, wenn Überschwemmungen, Stürme oder Schnee-Chaos den Betrieb lahmlegen? Droht ihnen die Entgeltfortzahlung ohne Gegenleistung? Und welche Reaktionsmöglichkeiten haben sie?Naturkatastrophen in Deutschland? Der folgende Beitrag gibt Auskunft.

 

 

1. Betriebsrisikolehre

Wird einem Arbeitnehmer die Arbeitsleistung unmöglich, zum Beispiel wegen Überflutung des Betriebs, so ist nach § 275 Abs. 1 BGB der Anspruch des Unternehmens auf die Arbeitsleistung ausgeschlossen. Allerdings verliert der Mitarbeiter nach § 326 Abs. 1 BGG grundsätzlich auch den Anspruch auf die Entlohnung. Als Ausnahme hierzu ist die sogenannte Betriebsrisikolehre entwickelt worden, welche mit § 615 Satz 3 BGB auch Einzug in das Gesetz gefunden hat. Verwirklicht sich das Betriebsrisiko des Arbeitgebers, ist dieser – genau wie beim Annahmeverzugslohn – zur vollen Entgeltfortzahlung verpflichtet. Können die Arbeitnehmer wegen Einflüssen von außen nicht beschäftigt werden, bspw. wegen defekter Maschinen oder der behördlichen Anordnung, dass der Betrieb wegen Einsturzgefahr nicht wieder aufgenommen werden darf, realisiert sich dieses Risiko und das Unternehmen bleibt zur Lohnfortzahlung verpflichtet, wie § 615 Satz 3 BGB ausdrücklich klarstellt.

Nach der Rechtsprechung kann eine Ausnahme von der Betriebsrisikolehre bestehen, wenn die Entgeltzahlung zur Existenzgefährdung des Betriebs führen würde. Dieser Ausnahmetatbestand wurde jedoch dahingehend eingeschränkt, dass nicht nur die Gefährdung des Betriebs, sondern des gesamten Unternehmens vorliegen muss. In solchen Fällen besteht zudem die Möglichkeit, für die Mitarbeiter Kurzarbeit anzuordnen, was ebenfalls gegen eine Existenzgefährdung spricht. Der Ausnahmetatbestand kommt daher kaum je zur Anwendung.

 

 

2. Abgrenzung zum Wegerisiko

Vom Betriebs- ist das sogenannte Wegerisiko zu unterscheiden, welches dann verwirklicht ist, wenn der Beschäftigte aufgrund eines objektiven Leistungshindernisses daran gehindert wird, zum Betrieb zu gelangen. Treffen Betriebs- und Wegerisiko aufeinander, gilt der Grundsatz der Monokausalität: Wenn mehrere Leistungshindernisse vorliegen und eines nicht die Entgeltfortzahlungspfl icht begründet, so entfällt sie insgesamt (BAG, Urt. v. 5.7.1995 – 5 AZR 135/94). Voraussetzung der Entgeltzahlung in Fällen des Betriebsrisikos ist stets, dass

› der Mitarbeiter zur Arbeit fähig und bereit war und

› das Unternehmen ihn (ausschließlich) aus betriebsbedingten Gründen nicht beschäftigen konnte.

Ist die wegen des Hochwassers geschlossene Arbeitsstätte für den Beschäftigten wegen überfluteter Straßen nicht zu erreichen, ist die Betriebsschließung nicht kausal für die Nichtleistung. Der Arbeitnehmer könnte auch dann seine Arbeitsleistung nicht erbringen, wenn der Betrieb weiter geöffnet wäre. Das Wegerisiko überlagert also in der vorliegenden Konstellation das Betriebsrisiko.

WICHTIG

Sobald eine Erreichbarkeit des Betriebs wieder gegeben ist, lebt die Entgeltfortzahlungspflicht jedoch wieder auf.

 

3. Vorübergehende Verhinderung des Mitarbeiters

Der Grundsatz „Kein Lohn ohne Arbeit“ wird nicht nur durch die Betriebsrisikolehre durchbrochen. Nach § 616 Satz 1 BGB verliert der Arbeitnehmer auch dann nicht seinen Anspruch auf Vergütung, wenn er unverschuldet für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit aus subjektiven Gründen seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann.

Unklar ist dabei, was unter „verhältnismäßig nicht erheblicher Zeit“ zu verstehen ist. Dies ist je nach Einzelfall und Schwere der Katastrophe zu entscheiden, dürfte jedoch stets nur wenige Tage betragen. Man muss beachten, dass bei längerer Verhinderung des Arbeitnehmers der Anspruch insgesamt entfällt und nicht erst zu dem Zeitpunkt, an dem die „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ abgelaufen ist.

 

4. Abbedingen der Ausnahmen möglich?

Die Grundsätze der Betriebsrisikolehre sind ebenso wie § 616 BGB dispositiv und lassen sich daher durch kollektive (Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung) oder einzelvertragliche Regelungen verdrängen (vgl. BAG, Urt. v. 9.3.1983 – 4 AZR 301/80). Es muss sich diesen Vorschriften jedoch eindeutig entnehmen lassen, dass die Entgeltzahlung umfassend und abschließend geregelt werden sollte. Ein Beispiel für eine abschließende Aufzählung der erfassten Fälle bei vorrübergehender Verhinderung findet sich in der Auflistung des § 29 Abs. 1 TVöD.

Praxistipp:

Arbeitgeber sollten also zunächst prüfen, ob einschlägige kollektive oder einzelvertragliche Regelungen zur Verteilung des Betriebsrisikos in Katastrophenfällen oder wegen vorübergehender Verhinderung bestehen. Ist dies nicht der Fall, sollte man für Neuverträge überlegen, ob entsprechende Regelungen in den Musterarbeitsvertrag aufzunehmen sind – gerade wenn der Betrieb in einem (Hochwasser-)Risikogebiet liegt.

Zu beachten ist jedoch, dass eine Abbedingung der AGB-Prüfung nach den §§ 305 ff. BGB standhalten muss. Das BAG hielt eine Klausel für unangemessen benachteiligend, die den Beschäftigungs- und Vergütungsanspruch der Mitarbeiter in den Wintermonaten davon abhängig machte, dass eine „den Baustoffe- und Zementhandel nicht beeinträchtigende Witterungs- und Auftragslage“ vorliegt (Urt. v. 9.7.2008 – 5 AZR 810/07). Das Betriebsrisiko darf somit nicht ohne angemessenen Ausgleich einseitig auf den Beschäftigten abgewälzt werden. Nicht so streng dürfte die Rechtsprechung beim teilweisen Ausschluss des § 616 BGB sein, da diese Gründe nicht aus der Sphäre des Unternehmens stammen, es also nicht ein bei ihm anzusiedelndes Risiko einseitig auf den Arbeitnehmer verlagern will.

 

5. Mitarbeiter als Katastrophenhelfer

Ist der Beschäftigte beim THW tätig und wird bei Naturkatastrophen zu einem Einsatz abbestellt, kann sich der Arbeitgeber dem nicht verweigern. Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 THW-Helferrechtsgesetz (THW-HelfRG) besteht eine zwingende gesetzliche Freistellungspflicht unter Weitergewährung des Lohns, vgl. zum Thema auch Leuchten, AuA 5/11, S. 284 ff.

Wichtig:

Abmahnungen oder Kündigungen wegen des Einsatzes sind folglich unzulässig. Allerdings müssen Arbeitnehmer die Abordnung zum Einsatz unverzüglich anzeigen. Dem Mitarbeiter steht die Vergütung zu, die er bei tatsächlicher Arbeitsleistung verdient hätte. Anders als z. B. in Fällen von Urlaubsgeld, wird für die Berechnung nicht auf einen Referenzzeitraum (vgl. § 11 BUrlG, 13-Wochen-Bemessungszeitraum) abgestellt. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 THW-HelfRG bekommt das Unternehmen die Aufwendungen einschließlich der Arbeitgeberanteile auf Antrag erstattet, wenn an einem Tag mehr als zwei Stunden oder innerhalb von zwei Wochen mehr als sieben Stunden Arbeitszeit ausgefallen sind. Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 THW-HelfRG besteht zudem ein Ausgleichsanspruch für die Entgeltfortzahlung bei Krankheiten, die auf den Dienst für den THW zurückzuführen sind.

Für Helfer aus anderen Hilfsorganisationen ergibt sich ein Anspruch auf Lohnfortzahlung aus den jeweiligen Katastrophenschutzgesetzen der Länder (z. B. Art. 7b Bayerisches Katastrophenschutzgesetz [BayKSG] i. V. m. Art. 9 Abs. 1 Bayerisches Feuerwehrgesetz [BayFwG]). Auch hier besteht eine Erstattungsmöglichkeit (vgl. bspw. Art. 7b BayKSG i. V. m. Art. 10 Abs. 1 BayFwG), die auch die Kosten einer Entgeltfortzahlung erfasst, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch den Einsatz verursacht wurde. Freiwillige Helfer werden hinsichtlich ihrer Rechte und Pflichten gegenüber dem Arbeitgeber nach einigen Katastrophenschutzgesetzen der Länder ehrenamtlichen Helfern ausdrücklich gleichgestellt. Nach § 21 Abs. 3 Katastrophenschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt ist hierfür z. B. lediglich erforderlich, dass diese Helfer im Katastrophenfall zur Hilfeleistung herangezogen wurden oder mit Einverständnis der Katastrophenschutzbehörde freiwillig Hilfe geleistet haben. Diese Gleichstellung ist jedoch für jedes einzelne Bundesland gesondert zu prüfen. Beschäftigte sollten – unabhängig hiervon – stets zuvor das Unternehmen von ihren Plänen unterrichten und nicht eigenmächtig der Arbeit fern bleiben, um keine arbeitsrechtlichen Sanktionen zu riskieren

 

 

6. Anordnen von Kurzarbeit

Unternehmen bieten sich im Falle von Naturkatastrophen zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten, um die hierdurch verursachten Probleme arbeitsrechtlich in den Griff zu bekommen. Dies kann u. a. durch folgende Maßnahmen geschehen:

– Anordnung von Kurzarbeit,
– Anordnung von Betriebsferien,
– Heranziehen von Arbeitnehmern zu Mehrarbeit,
– Versetzung in einen anderen Betrieb des Unternehmens,
– Rückruf aus dem Urlaub.

Für betroffene Arbeitgeber besteht die Möglichkeit, Kurzarbeit einzuführen und Kurzarbeitergeld zu beantragen, wenn die Voraussetzungen nach den §§ 95 ff. SGB III gegeben sind. Bei Naturkatastrophen, die zu einer kurzzeitigen Betriebsstillegung führen, wird dies i. d. R. der Fall sein, da hier von einem unabwendbaren Ereignis i. S. d. § 96 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III auszugehen ist. Hierdurch ließe sich zumindest ein Teil der Kosten abfedern

Allerdings muss die Kurzarbeit auch zulässigerweise eingeführt werden können. Dies ist möglich über entsprechende tarifvertragliche Klauseln oder Regelungen in einer Betriebsvereinbarung. Ebenfalls möglich ist die einvernehmliche Vereinbarung mit den Mitarbeitern im Einzelfall.

Wichtig:

Den Weg über individualvertragliche Pauschalregelungen hat die Rechtsprechung hingegen zuletzt deutlich erschwert und pauschale Kurzarbeitsklauseln im Arbeitsvertrag wegen Intransparenz bzw. unangemessener Benachteiligung gem. § 307 Abs. 1, 2 BGB kassiert.

Besteht keine Ermächtigung durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung bzw. keine wirksame Klausel im Arbeitsvertrag und kann man keine einvernehmliche Regelung mit dem Arbeitnehmer finden, könnte theoretisch auch – im extremen Ausnahmefall – an eine außerordentliche, betriebsbedingte Änderungskündigung (ohne soziale Auslauffrist) nach § 626 BGB gedacht werden. Das Abwarten der Kündigungsfrist bei der ordentlichen Änderungskündigung wäre in den Fällen von unvorhersehbaren Naturkatastrophen oft sinnlos. Allerdings ist diese Maßnahme in der Praxis kaum praktikabel und rechtssicher handhabbar. Eine Änderungskündigung zur reinen Lohnabsenkung ist nach der Rechtsprechung des BAG in der Praxis nahezu unmöglich, auch wenn hier – im Gegensatz zur reinen Entgeltabsenkung – nicht in das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung eingegriffen werden würde, da sich auch die Arbeitsverpflichtung entsprechend verringert. Wenn keine kollektivrechtliche Regelung möglich ist und die betroffenen Arbeitnehmer sich weigern, einer Kurzarbeitsregelung zuzustimmen, kann im Betrieb keine Kurzarbeit eingeführt werden. In der Praxis ist es jedoch in solchen Situationen häufig so, dass die Einführung von Kurzarbeit nicht blockiert wird.

Praxistipp:

 

In Fällen von Naturkatastrophen größeren Ausmaßes sollten Unternehmen stets auch die Hilfsmaßnahmen der Politik beachten. Für unmittelbar vom Hochwasser 2013 betroffene Betriebe hat die Bundesregierung bspw. durch Verwaltungsvereinbarung beschlossen, diese von sämtlichen Sozialversicherungsbeiträgen bei Kurzarbeit (für längstens drei Monate) zu befreien. Beschäftigte, in deren Betrieb die Arbeit wegen des Hochwassers ausfiel, konnten zudem bei Aufräumarbeiten helfen, ohne dass sie den Anspruch auf Kurzarbeitergeld verloren. Nur mittelbar betroffene Unternehmen – etwa Zulieferer von wegen Hochwassers stillgelegten Betrieben – konnten zumindest Kurzarbeitergeld beantragen. In anderen Fällen kann man ggf. auch weitere finanzielle Hilfen des betroffenen Bundeslands in Anspruch nehmen, die oft kurzfristig angeboten werden.

 

 

7. Anordnen von Betriebsferien

Alternativ zur Einführung von Kurzarbeit können Unternehmen überlegen, für die gesamte Belegschaft Betriebsferien anzuordnen. Diese kann der Arbeitgeber dann einführen, wenn dringende betriebliche Belange vorliegen, hinter denen die – grundsätzlich vorrangigen – individuellen Urlaubswünsche der Arbeitnehmer nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG zurückstehen müssen. Wird hierüber mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen, stellt dies nach der Rechtsprechung schon den dringenden betrieblichen Belang dar (vgl. z. B. BAG, Beschl. v. 28.7.1981 – 1 ABR 79/79). Da die Frage der Einführung und der zeitlichen Festlegung von Betriebsferien gem. § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG der Mitbestimmung unterliegt, muss man ohnehin eine Einigung mit dem Betriebsrat erzielen. Allerdings wird der Weg über die Einigungsstelle in Fällen von Betriebsschließungen wegen Naturkatastrophen meist zu lange dauern. Daher ist das Unternehmen auf die Kompromissbereitschaft des Gremiums angewiesen. Auch in Betrieben ohne Betriebsrat ist es grundsätzlich möglich, einseitig Urlaub anzuordnen. Nach einem Urteil des LAG Düsseldorf vom 20.6.2002 (11 Sa 378/02, vgl. AuA 5/03, S. 50) kann der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts Betriebsferien anordnen. Nach Ansicht des LAG begründen allein diese Betriebsferien dann die dringenden betrieblichen Interessen des Arbeitgebers nach § 7 Abs. 1 BUrlG. Umso mehr muss dies in solchen Notfällen gelten, so dass sich auch hier kurzfristig Betriebsferien anordnen lassen

Praxistipp

Unabhängig vom Vorliegen dringender betrieblicher Belange ist es dem Arbeitgeber unbenommen, selbst den Urlaubszeitraum zu bestimmen. Zwar ist der Mitarbeiter nicht verpflichtet, diese Leistungshandlung des Arbeitgebers zur Erfüllung anzunehmen, wenn sie gegen § 7 Abs. 1 BurlG verstößt. Äußert er sich jedoch nicht und nimmt den Urlaub widerspruchslos wahr, tritt die Erfüllung des Urlaubsanspruchs ein.

 

 

8. Heranziehen zu Mehrarbeit

Es ist auch denkbar, dass Arbeitnehmer wegen Sicherungsmaßnahmen vor dem nahenden Hochwasser Überstunden ableisten müssen. Dabei kann man sie in Erweiterung des Direktionsrechts verpflichten, auch Weisungen zu befolgen, die über das hinausgehen, was der Arbeitgeber sonst von ihnen fordern kann. Diese Erweiterung gilt zumindest bei schweren Naturkatastrophen und folgt aus der Treuepflicht des Mitarbeiters.

Wichtig:

Bei der Anordnung von Überstunden ist nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG grundsätzlich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zu beachten. Dies ist auch nicht in Eilfällen ausgeschlossen (BAG, Beschl. v. 2.3.1982 – 1 ABR 74/79). Bei Notfällen und Katastrophen wird jedoch angenommen, dass aus dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit eine Einschränkung der Mitbestimmung folgt. Überstunden können dann angeordnet werden, ohne dass der Betriebsrat vorab beteiligt wird. Das Unternehmen darf allerdings nur vorläufige Regelungen treffen und muss den Betriebsrat unverzüglich im Nachhinein über die Anordnung informieren. Überstunden bereits für die nächsten Wochen kann der Arbeitgeber also nicht alleine anordnen. Ein Notfall ist – in Abgrenzung zum Eilfall – zudem nur eine plötzliche, nicht voraussehbar gewesene und schwerwiegende Situation, die zur Verhinderung nicht wiedergutzumachender Schäden zu unaufschiebbaren Maßnahmen zwingt; es muss also eine Extremsituation vorliegen (BAG, Beschl. v. 2.3.1982 – 1 ABR 74/79).

Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) steht in diesen Fällen nicht entgegen: Nach § 14 Abs. 1 ArbZG lässt sich nämlich von den Beschränkungen der §§ 3 bis 5 ArbZG bei vorübergehenden Arbeiten in Notfällen abweichen. Als Notfälle i. S. d. ArbZG werden insbesondere Fälle höherer Gewalt, vor allem durch Naturkatastrophen (z. B. Überschwemmungen, Schneekatastrophen, Stürme) gesehen. Sind erwachsene Beschäftigte nicht in ausreichendem Maße verfügbar, können in Notfällen auch ausnahmsweise die für Jugendliche geltenden Höchstarbeitszeiten überschritten werden, vgl. § 21 JArbSchG.

 

9. Versetzung in einen anderen Betrieb des Unternehmens

Denkbar ist auch eine Versetzung von betroffenen Arbeitnehmern an andere Standorte des Unternehmens, um sie dort sinnvoll beschäftigen zu können. Ist der Dienstsitz vertraglich festgelegt, ist eine Versetzung an einen anderen Dienstort allerdings nicht mehr vom Direktionsrecht nach § 106 GewO umfasst. Ein „Notversetzungsrecht“ im Katastrophenfall gibt es nicht. Daher müssen Versetzungen einvernehmlich erfolgen, sofern der Arbeitsvertrag keine wirksame Versetzungsklausel enthält. Ist die Arbeitsleistung an der alten Betriebsstätte nur vorübergehend nicht möglich, dürfte eine Änderungskündigung nicht gerechtfertigt sein, da sie den Dienstsitz auf Dauer verändern würde.

Wichtig:

Zu beachten sind auch hierbei die Beteiligungsrechte des Betriebsrats, soweit im abgebenden und/oder aufnehmenden Betrieb eine Mitarbeitervertretung besteht. Dies betrifft insbesondere das Mitbestimmungsrecht des § 99 BetrVG (Versetzung vom alten Arbeitsort; Einstellung am neuen Arbeitsort). Auf der anderen Seite besteht keine Pflicht des Arbeitgebers zur Versetzung, selbst wenn er wegen des vom Beschäftigten zu tragenden Wegerisikos vorübergehend keinen Lohn schuldet. 

 

10. Rückruf aus Urlaub

Praxistipp:
Aufgrund der unklaren Rechtslage sollte man Rechtsstreitigkeiten vermeiden und einvernehmliche Lösungen suchen. Hierbei kann auch an die Solidarität der Mitarbeiter appelliert werden. Ein einseitiger Rückruf wäre in jedem Fall gut zu begründen, vor allem, warum gerade dieser Arbeitnehmer für bestimmte Maßnahmen benötigt wird (denkbar z. B. bei Werksfeuerwehr, die speziell für Naturkatastrophen ausgebildet wurde).

 

 

Fazit

Gerade in Fällen von Naturkatastrophen mit Auswirkungen auf den Betrieb ist das Unternehmen  arbeitsrechtlich nicht schutzlos gestellt. Es bestehen Möglichkeiten, auf die aufgezeigten Probleme adäquat zu reagieren. Gerade in solchen Fällen kommt es auf die Solidarität der Unternehmensleitung, der Belegschaft und des Betriebsrats in besonderem Maße an. Alle haben das Interesse an einer zügigen ungestörten Arbeitsaufnahme. Sollte sich aber doch herausstellen, dass eine wirtschaftliche Wiederherstellung des Betriebs nicht möglich oder sinnvoll ist, können Arbeitgeber zudem die unternehmerische Entscheidung treffen, den Betrieb nicht wiederaufzubauen und damit dauerhaft stillzulegen.

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht – 10/2013