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Erben haben keinen Urlaubsabgeltungsanspruch

Endet das Arbeitsverhältnis mit einem zuvor lange Zeit arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmer mit dessen Tod, so erlischt der Urlaubsanspruch. Er wandelt sich dann nicht mehr nach § 7 Abs. 4 BUrlG in einen Abgeltungsanspruch um, der auf die Erben übergehen könnte. Hieran hat sich auch durch die neuen Vorgaben des Gemeinschaftsrechts zur Abgeltung des Urlaubs bei Langzeiterkrankten nichts geändert.

BAG 20.09.2011 – 9 AZR 416/10

Stellenanzeige „Geschäftsführer gesucht“ benachteiligt Frauen

Eine Stellenanzeige mit der Überschrift „Geschäftsführer gesucht“ verstößt gegen das Benachteiligungsverbot des AGG, wenn sie keinen Zusatz „/in“ bzw. „m/w“ enthält oder den männlichen Begriff im weiteren Kontext der Anzeige nicht relativiert. Frauen, die sich ohne Erfolg um eine solche Stelle bewerben, können daher eine Entschädigung verlangen. Diese muss so hoch bemessen sein, dass sie für die Zukunft eine anschreckende Wirkung entfaltet (im vorliegenden Fall erachtete das Gericht 13.000 EUR als angemessen).

OLG Karlsruhe 13.09.2011 – 17 U 99/10

Tarifliche Altersgrenze von 60 Jahren für Piloten verstößt gegen EU-Recht

Ein Verbot für Piloten, über das vollendete 60. Lebensjahr hinaus ihrer Tätigkeit nachzugehen, stellt eine Diskriminierung wegen des Alters dar. Eine entsprechende tarifliche Regelung verstößt gegen Unionsrecht. Ab Vollendung des 60. Lebensjahres kann der Arbeitgeber zwar das Recht beschränken, eine Maschine zu fliegen; ein vollständiges Verbot geht aber über das zum Schutz der Flugsicherheit Erforderliche hinaus.

EuGH 13.09.2011 – C-447/09

Urlaubsanspruch bei EU-rechtswidriger nationaler Regelung nicht unmittelbar beim Arbeitgeber durchsetzbar

Wenn eine nationale Regelung hinsichtlich des Anspruchs auf Jahresurlaub gegen das Unionsrecht verstößt, kann der Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch nicht unmittelbar gegenüber dem Arbeitgeber durchsetzen, sondern lediglich eine Staatshaftungsklage gegen den insoweit vertragsbrüchigen Mitgliedsstaat erheben.

EuGH (Generalanwältin) 08.09.2011 – C-282/10

Wechsel in eine BQG vor Betriebsübergang darf nicht Unterbrechung der Kontinuität des Arbeitsverhältnisses bezwecken

Schließen Arbeitnehmer vor einem Betriebsübergang einen dreiseitigen Vertrag, mit dem sie von dem Betriebsveräußerer in eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (BQG) wechseln, ist diese Vereinbarung wirksam, wenn sie auf das endgültige Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb gerichtet ist. Die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses mit dem Betriebsveräußerer verstößt jedoch gegen zwingendes Recht, wenn dieser dadurch bezweckt, den Arbeitsplatz zu erhalten und nur die die Kontinuität des Arbeitsverhältnisses zu beseitigen.

BAG 18.08.2011 – 8 AZR 312/10

Umfang des Weiterbeschäftigungsanspruchs

Dem Kundenberater einer deutschlandweit agierenden Warenhauskette, der erstinstanzlich im Kündigungsschutzprozess gewonnen und dabei eine Titulierung seines Anspruches auf vorläufige Weiterbeschäftigung nach den Grundsätzen des BAG (Großer Senat – GS 1/84) erwirkt hat, kann der Arbeitgeber im Vollstreckungsverfahren (§ 888 Abs. 1 ZPO) nicht seinen Wunsch nach einem möglichst wohnortnahen Arbeitseinsatz mit der Begründung ablehnen, dassin den betreffenden Standorten eine „freie Stelle nicht vorhanden“ sei. Es gehört nach dem allgemeinen Rücksichtnahmegebot (§ 241 Abs. 2 BGB) auch im Vollstreckungsverfahren zur Pflicht des Arbeitgebers, dem Anspruchsteller objektiv vermeidbare Belastungen zu ersparen. Dabei ist auch den grundrechtlichen Bezügen effektiven Kündigungsschutzes Rechnung zu tragen. Der Arbeitgeber kann den Anspruchsteller daher nicht darauf verweisen, dass er sein Recht auf vorläufige Weiterbeschäftigung bis zur Erledigung des Kündigungsrechtsstreits statt in rund 3, 18, 19 oder auch 35 Kilometern Entfernung von seiner Wohnung allenfalls an einem Standort des Arbeitgebers in 237 Kilometern Entfernung von seiner Wohnung wahrnehmen solle.

LAG Berlin 04.08.2011 – 28 Ca 923/11

Probezeitkündigung wegen HIV-Infektion

Die Kündigung des mit einem HIV-infizierten Chemisch-Technischen Assistenten bestehenden Arbeitsverhältnisses während der Probezeit/Wartezeit ist grundsätzlich wirksam. Die Kündigung kann im vorliegenden Fall nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung hin überprüft werden, weil der Arbeitnehmer noch keine sechs Monate beschäftigt gewesen ist und das Kündigungsschutzgesetz daher keine Anwendung findet. Die Kündigung hat der Arbeitgeber nicht willkürlich ausgesprochen, weil seine angeführten Gründe nachvollziehbar sind. Der Arbeitgeber hat den Mitarbeiter auch nicht wegen einer Behinderung diskriminiert und muss daher keine Entschädigung zahlen. Die bloße HIV-Infektion führt nicht zu einer Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit und stellt daher keine Behinderung im Rechtssinne dar.

ArbG Berlin 21.07.2011 – 17 Ca 1102/11

Eintragen der Parkplatzsuche als Arbeitszeit kann fristlose Kündigung rechtfertigen

Die Arbeitszeit beginnt grundsätzlich erst mit dem Betreten des Dienstgebäudes. Erfasst ein Arbeitnehmer abweichend davon schon die Zeit der Parkplatzsuche auf dem Firmengelände als Arbeitszeit, kann dies eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Täuschung über die Arbeitszeit heimlich und vorsätzlich erfolgt. Vor Ausspruch der Kündigung ist dann auch keine Abmahnung erforderlich.

BAG 09.06.2011 – 2 AZR 381/10

Unterrichtung des Betriebsrates nachholen

In Fällen, in denen der Betriebsrat auf eine unvollständige Unterrichtung hin seine Zustimmung zu einer personellen Einzelmaßnahme i. S. des § 99 Abs. 1 BetrVG verweigert hat, kann der Arbeitgeber auch noch im Zustimmungsersetzungsverfahren die fehlenden Informationen nachholen. Mit der Nachholung der Unterrichtung und der Vervollständigung der Informationen wird die Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG in Gang gesetzt. Entspricht eine entsprechende Unterrichtung über die personelle Maßnahme nicht den Tatsachen, läuft die Frist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nicht. Der Arbeitgeber kann jedoch seine Angaben grundsätzlich auch noch im Zustimmungsersetzungsverfahren korrigieren und unzutreffende Tatsachen richtigstellen. Er muss dann aber dem Betriebsrat verdeutlichen, dass er mit der richtiggestellten Mitteilung seiner Verpflichtung zur Unterrichtung genügen will und diese Verpflichtung nunmehr als erfüllt ansieht. Anders ist dies nur bei unrichtigen Angaben über Tatsachen und Umstände zu sehen, die offensichtlich keinen Bezug zu einem möglichen Zustimmungsverweigerungsgrund haben und über die der Betriebsrat demzufolge von vornherein nicht zu unterrichten wäre.

BAG 01.06.2011 – 7 ABR 18/10

Kein Anspruch auf Spind für gesamte Dienstkleidung

Müssen Mitarbeiter Dienstkleidung tragen, ist es ausreichend, wenn ihnen der Arbeitgeber für die Aufbewahrung ihrer Kleidung einen Dienstspind und eine offene Garderobe zur Verfügung stellt. Sie haben keinen Anspruch darauf, dass der Dienstspind so groß ist, dass sie ihre komplette Dienstkleidung darin verstauen können.

LAG Hessen 31.05.2011 – 19 Sa 1753/10

Anforderungen an Entschädigungsanspruch für schwerbehinderten Bewerber

Voraussetzung für den Entschädigungsanspruch eines abgelehnten schwerbehinderten Stellenbewerbers, der sich auf eine unzulässige Diskriminierung beruft, ist, dass er sich mit dem eingestellten Bewerber in einer vergleichbaren Situation befand. Dies ist nur dann der Fall, wenn er für die zu besetzende Stelle objektiv geeignet war. Maßgeblich für die objektive Eignung ist dabei nicht das formelle Anforderungsprofil, welches der Arbeitgeber erstellt hat, sondern sind die Anforderungen, die der Arbeitgeber an einen Stellenbewerber stellen durfte. Grundsätzlich darf der Arbeitgeber über den der Stelle zugeordneten Aufgabenbereich und die dafür geforderte Qualifikation des Stelleninhabers frei entscheiden. Der Arbeitgeber darf allerdings nicht willkürlich Anforderungen an den Bewerber stellen, die nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung aufgrund der Erfordernisse der wahrzunehmenden Aufgaben unter keinem nachvollziehbaren Gesichtspunkt gedeckt sind.

BAG 07.04.2011 – 8 AZR 679/09

Klagefrist bei Streit über den Eintritt einer auflösenden Bedingung

Die dreiwöchige Klagefrist der §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG gilt entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Senats nicht nur für die Geltendmachung der Rechtsunwirksamkeit der Bedingungsabrede, sondern auch für den Streit über den Eintritt einer auflösenden Bedingung. Eine solche liegt beispielsweise im Fall der Verweisung auf den BAT und der Zahlung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor.

BAG 06.04.2011 – 7 AZR 704/09

Höhe des versicherungsmathematischen Abschlags bei vorgezogener Betriebsrente

Sieht eine Versorgungsordnung einen „versicherungsmathematischen Abschlag“ für den Fall vor, dass ein Arbeitnehmer seine Betriebsrente vorgezogen in Anspruch nimmt, ohne diesen Abschlag der Höhe nach festzulegen, darf der Arbeitgeber pauschal einen Abschlag von 0,5 Prozent pro Monat der vorgezogenen Inanspruchnahme ansetzen. Etwas anderes kann gelten, wenn im Betrieb allgemein bekannt ist, dass der Arbeitgeber den Abschlag nach der Barwertmethode jeweils im Einzelfall berechnen will. In diesem Fall kommt eine individuelle Berechnung des versicherungsmathematischen Abschlags in Betracht.

BAG 08.03.2011 – 3 AZR 666/09