Arbeitnehmer muslimischen Glaubens können Anspruch auf alkoholfreien Arbeitsplatz haben

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Arbeitnehmer muslimischen Glaubens können berechtigt sein, Arbeiten, die mit alkoholischen Getränken im Zusammenhang stehen, zu verweigern. Arbeitgeber dürfen ihnen deshalb nur kündigen, wenn im Rahmen der betrieblichen Organisation keine andere Tätigkeit möglich ist, die sie ohne Religionskonflikt verrichten können. Die Mitarbeiter müssen in einem solchen Fall allerdings konkret aufzeigen, an welchen Tätigkeiten sie sich aus religiösen Gründen gehindert sehen, damit der Arbeitgeber prüfen kann, ob er sie auf einem anderen freien Arbeitsplatz einsetzen kann.

BAG 24.02.2011 – 2 AZR 636/09

Tarifliche Vorruhestandsregelungen können Frauen benachteiligen

Eine tarifliche Regelung, wonach ein Arbeitnehmer Übergangsgeld erhält, bis er Anspruch auf vorzeitige Altersrente hat, kann Frauen benachteiligen und daher nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam sein. Denn da Frauen bereits mit 60 Jahren – und damit drei Jahre eher als Männer – vorzeitig Altersrente beanspruchen können, bekommen sie weniger lang Übergangsgeld. Die Tarifvertragsparteien können diesen Nachteil aber beseitigen, indem sie für die kürzere Bezugsdauer einen finanziellen Ausgleich schaffen.

BAG 15.02.2011 – 9 AZR 584/09

Kündigung des Vorgesetzten bei Übergriff auf Schutzbefohlene nicht immer gerechtfertigt

Misshandeln Betreuer Kinder in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung, rechtfertigt dies nicht ohne weiteres die Kündigung des zuständigen Bereichsleiters. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Vorgesetzte unverzüglich nachdem er davon erfahren hat die Geschäftsleitung darüber informiert. Daneben kann zwar eine Verletzung der Kontrollpflicht vorliegen. Eine Kündigung wäre aber in diesem Fall erst nach Ausspruch einer Abmahnung gerechtfertigt.

LAG Düsseldorf 15.02.2011 – 16 Sa 1016/10

Arbeitnehmer dürfen Arbeitgeber bei Beleidigung zurechtweisen

Wenn der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer beleidigt, stellt es grundsätzlich eine zulässige und nicht zu beanstandende Reaktion des Arbeitnehmers dar, wenn er daraufhin antwortet: „Pass auf, was Du sagst, Junge.“ Arbeitnehmer dürfen in einem solchen Fall unmissverständlich deutlich machen, dass sie eine Fortsetzung oder weitere Verbreitung derartiger Beleidigungen nicht hinnehmen würden.

LAG Köln 30.12.2010 – 5 Sa 825/10

Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Urlaubsabgeltung

Ruht der Anspruch des Arbeitslosen auf Arbeitslosengeld, weil er einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung hat, und zahlt die Arbeitsagentur währenddessen dennoch nach § 143 Abs. 3 SGB III Arbeitslosengeld (Gleichwohlgewährung), geht der Anspruch auf Urlaubsabgeltung in Höhe des gezahlten Arbeitslosengeldes auf die Arbeitsagentur nach § 115 Abs. 1 SGB X über. Der Zeitraum, in dem der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht, beginnt mit dem Ende des die Urlaubsabgeltung begründenden Arbeitsverhältnisses (§ 143 Abs. 2 Satz 2 SGB III). Er verschiebt sich nicht, wenn der Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Krankengeld nach § 44 SGB V und kein Arbeitslosengeld bezieht. Es kommt deshalb zu keinem Forderungsübergang nach § 115 Abs. 1 SGB X, wenn die Arbeitsagentur nach Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit Arbeitslosengeld zahlt und zu diesem Zeitpunkt die Zeit des abgegoltenen Urlaubs bereits verstrichen ist.

BAG 17.11.2010 – 10 AZR 649/09

Tarifliche Ausschlussfrist bei überzahlter Vergütung

Bemerkt ein Arbeitnehmer, dass der Arbeitgeber seine Vergütung überzahlt hat, und enthält er diese Informationen dem Arbeitgeber aber vor, stellt es einen Rechtsmissbrauch dar, wenn er sich auf den Verfall des Anspruchs auf die Rückzahlung überzahlter Vergütung aufgrund tariflicher Ausschlussfristen beruft. Denn hätte der Arbeitgeber davon Kenntnis erhalten, wäre er in der Lage gewesen, die Ausschlussfrist einzuhalten. Der Einwand des Rechtsmissbrauchs steht dem Verfall des Rückzahlungsanspruchs nur solange entgegen, wie der Arbeitgeber aufgrund des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Arbeitnehmers die Ausschlussfrist nicht einhalten kann. Erfährt der Arbeitgeber anderweitig vom Überzahlungstatbestand, muss er seinen Rückzahlungsanspruch innerhalb einer angemessenen Frist, deren Länge sich nach den Umständen des Einzelfalls richtet, in der nach dem Tarifvertrag vorgesehenen Form geltend machen. Er muss ohne schuldhaftes Zögern Schritte zur Rückforderung einleiten und den Sachverhalt zügig, jedoch ohne Hast aufklären. Der Arbeitgeber hat dazu im Prozess vorzutragen, wie er vorgegangen ist, nachdem er von dem Sachverhalt erfahren hat, welche Einzelschritte er wann unternommen hat und aus welchen Gründen diese wie lange gedauert haben.

BAG 13.10.2010 – 5 AZR 648/09

„Urlaubsgeld“ als saisonale Sonderleistung

Allein die Bezeichnung einer Leistung als Urlaubsgeld bedeutet nicht, dass ein zwingender Sachzusammenhang zum Erholungsurlaub besteht. Je nach Leistungsvoraussetzungen, das heißt Anforderungen und Ausschlussgründen, ist das Urlaubsgeld von den Regelungen zum Urlaub abhängig oder stellt bloß eine saisonale Sonderleistung dar. Zahlt der Arbeitgeber im Einverständnis mit dem Arbeitnehmer das Urlaubsgeld abweichend von vertraglichen Bestimmungen, liegt hierin eine Stundungsvereinbarung, durch die sich die Fälligkeit des Anspruchs hinausschiebt.

BAG 12.10.2010 – 9 AZR 522/09

Keine Benachteiligung bei bereits besetzter Stelle

Geht die Bewerbung um eine Stelle erst nach deren Besetzung ein, kommt eine Benachteiligung nach § 3 Abs. 1 AGG grundsätzlich von vornherein nicht in Betracht. In diesem Fall können Arbeitgeber keine späteren Bewerber mehr berücksichtigen. Sie müssten dann jede Person in der Lage des Bewerbers, unabhängig von Diskriminierungsmerkmalen wie Alter oder Geschlecht ablehnen.

LAG Köln 01.10.2010 – 4 Sa 796/10

Vertragsstrafe für Nichtantritt der Probezeit zulässig

Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Vertragsstrafenregelung benachteiligt den Arbeitnehmer grundsätzlich nicht unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB, wenn sie für den Fall, dass der Arbeitnehmer sein befristetes Probearbeitsverhältnis nicht antritt, die Vereinbarung einer Vertragsstrafe in Höhe eines Bruttomonatsverdienstes vorsieht und die Kündigungsfrist während der Probezeit einen Monat beträgt.

BAG 19.08.2010 – 8 AZR 645/09