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Kündigung wegen mehrjähriger Freiheitsstrafe

Die Verbüßung einer mehrjährigen Freiheitsstrafe ist grundsätzlich geeignet, eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Hat der Sachverhalt, der einer strafgerichtlichen Verurteilung zugrunde liegt, keinen Bezug zum Arbeitsverhältnis, kommt regelmäßig nur eine personenbedingte Kündigung in Betracht. Sowohl bei den Anforderungen an den Kündigungsgrund als auch bei der einzelfallbezogenen Interessenabwägung muss der Arbeitgeber berücksichtigen, ob der Arbeitnehmer selbst verantwortlich dafür ist, dass er die geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen kann und damit die Störung des Arbeitsverhältnisses selbst zu vertreten hat. Dem Arbeitgeber sind dann zur Überbrückung der Fehlzeit typischerweise geringere Anstrengungen und Belastungen zuzumuten als in anderen Fällen, etwa bei Krankheit. Zudem ist die voraussichtliche Dauer der Leistungsunmöglichkeit von Bedeutung. Wenn gegen den Arbeitnehmer rechtskräftig eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verhängt worden ist, kann der Arbeitgeber den Arbeitsplatz in der Regel dauerhaft neu besetzen.

BAG 24.03.2011 – 2 AZR 790/09

Arbeitgeber dürfen Datenschutzbeauftragten nicht einfach „outsourcen“

Bei der erstmaligen Bestellung eines Datenschutzbeauftragten sind Arbeitgeber zwar in ihrer Entscheidung frei, ob sie das Amt intern oder extern vergeben wollen. Wenn sie aber einen internen Datenschutzbeauftragten bestellen, können sie dessen Bestellung nicht allein mit der Begründung widerrufen, dass sie nunmehr die Position extern besetzen wollen. Eine solche Organisationsentscheidung stellt keinen wichtigen Grund im Sinne des § 4f Abs. 3 Satz 4 BDSG i. V. m. § 626 BGB dar.

BAG 23.03.2011 – 10 AZR 62/09

Ausschlussfristen im Entleiherbetrieb gelten nicht für „Equal Pay“-Ansprüche von Leiharbeitnehmern

Leiharbeitnehmer müssen ihren „Equal-Pay -/Equal-Treatment“-Anspruch gegenüber ihrem Vertragsarbeitgeber (=Verleiher) nicht innerhalb der im Entleiherbetrieb zur Anwendung kommenden Ausschlussfristen geltend machen. Ausschlussfristen gehören nicht zu den „wesentlichen Arbeitsbedingungen“ im Sinne des § 10 Abs. 4 AÜG, die der Verleiher den als Leiharbeitnehmern beschäftigten Mitarbeitern „gewähren“ muss.

BAG 23.03.2011 – 5 AZR 7/10

Welches Arbeitsrecht gilt bei grenzüberschreitender Tätigkeit?

Ein LKW-Fahrer mit Wohnsitz in Osnabrück wurde von einer luxemburgischen Transportfirma für Fahrten im grenzüberschreitenden Warenverkehr eingestellt. Die Lieferorte befanden sich vor allem in Deutschland und anderen EU-Ländern. Sitz der Gesellschaft hingegen war Luxemburg. Nach dem Arbeitsvertrag war die luxemburgische Gerichtsbarkeit zuständig. 2001 gründeten Beschäftigte der Transportfirma einen Betriebsrat in Deutschland, in den auch der Kläger gewählt wurde.

Als man ihm 2001 kündigte, wandte er sich zunächst an deutsche Arbeitsgerichte – seine Klagen wurden jedoch mangels Zuständigkeit zurückgewiesen. Daraufhin klagte er in Luxemburg, wo mehrere Instanzen entschieden, dass auf den Arbeitsvertrag ausschließlich luxemburgisches Recht anwendbar sei. Der Kläger jedoch wollte eine Miteinbeziehung des deutschen Arbeitsrechts erwirken, da seine Kündigung – auf Grund seiner Betriebsratszugehörigkeit – in Deutschland unwirksam gewesen wäre. Deshalb verklagte er den Staat Luxemburg wegen fehlerhafter Anwendung des Übereinkommens von Rom (ÜVR 98/C 27/01) auf Schadenersatz.

Der entscheidende Punkt war, ob Schutzvorschriften des deutschen Arbeitsrechts zum Vorteil des Arbeitnehmers nach luxemburgischem Recht angewendet werden können. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) bejahte dies und verwies in seinem Urteil auf die Möglichkeit, die Schutzvorschriften des Staates anzuwenden, in dem der Arbeitnehmer seine Arbeit „gewöhnlich verrichtet“. Hierfür seien alle Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die die Tätigkeit kennzeichneten. Das Ortskriterium sei im Hinblick auf Arbeitnehmerschutzvorschriften weit auszulegen (Rn. 47), was eine Anwendung der deutschen Schutzvorschriften nicht zwangsläufig ausschließe.

EuGH 15.03.2011 – C-29/10

Auslegung von § 14 Abs. 3 TzBfG

Dürfen Unternehmen Arbeitsverträge ohne einen sachlichen Grund immer wieder befristen, nur weil der Arbeitnehmer ein bestimmtes Lebensalter vollendet hat? § 14 Abs. 3 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) räumt diese Möglichkeit unter gewissen Voraussetzungen ein. Gilt das auch, wenn ein „enger sachlicher Zusammenhang“ zwischen dem gegenwärtigen (befristeten) Arbeitsverhältnis und dem ursprünglichen Arbeitsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber besteht? Diese Frage musste der EuGH auf Vorlage des Bundesarbeitsgerichts beantworten.

Klägerin war eine Flugbegleiterin, die zwanzig Jahre für die Gesellschaft PanAmerican tätig war. Als die Deutsche Lufthansa AG Teile der PanAmerican aufkaufte, wurde die Klägerin zur Angestellten der Lufthansa. Die deutsche Fluggesellschaft befristete das Arbeitsverhältnis seitdem immer wieder aufs Neue. § 5 Nr. 1 der europäischen Rahmenvereinbarung über befristete Verträge (im Anhang zur Richtlinie 1999/70/EG) schreibt eine Festlegung von sachlichen Gründen vor, um einem Missbrauch von Befristungen vorzubeugen. Die Lufthansa hingegen verwies auf § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG: Er erlaube Befristungen, wenn der Arbeitnehmer das 52. Lebensjahr vollendet hat und zuvor nicht bei „demselben Arbeitgeber“ in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stand. Deshalb war die entscheidende Frage, ob die PanAmerican in diesem Fall als „derselbe Arbeitgeber“ gelte. Die Richter bejahten dies, da ein „enger sachlicher Zusammenhang“ zwischen dem Arbeitsverhältnis bei der PanAmerican und dem der Lufthansa vorliege. Das ursprüngliche Arbeitsverhältnis sei für die Fortsetzung derselben Tätigkeit maßgeblich gewesen. Letztendlich ist es nun die Aufgabe des BAG, die innerstaatlichen Vorschriften im Sinne der Rahmenvereinbarung auszulegen.

EuGH 10.03.2011 – C-109/09

Haushaltsbefristungen der Bundesagentur für Arbeit unwirksam

§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG ist dahingehend verfassungskonform auszulegen, dass eine wirksame Haushaltsbefristung nur dann vorliegt, wenn das den Haushaltsplan aufstellende Organ und der Arbeitgeber nicht identisch sind. Danach kann sich die Bundesagentur für Arbeit zur Rechtfertigung einer Befristung nicht auf § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG stützen, da bei ihr eine solche Identität besteht.

BAG 09.03.2011 – 7 AZR 728/09

Kostenübernahme für die Schulung von Betriebsratsmitgliedern in deren Muttersprache

Arbeitgeber können verpflichtet sein, die Kosten einer in der Muttersprache des Betriebsratsmitglieds durchgeführten Schulung zu tragen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Betriebsratsmitglied nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt und die Teilnahme an der Schulung für die ordnungsgemäße Durchführung der Betriebsratstätigkeit erforderlich ist.

ArbG Berlin 03.03.2011 – 24 BV 15046/10

Entschädigungsanspruch für schwerbehinderte Bewerber um Richteramt bei Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch

Wurde für die Besetzung von Richterstellen nicht vorab ein bestimmtes Notenniveau bindend festgelegt, müssen alle schwerbehinderten Bewerber mit Befähigung zum Richteramt zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden. Dies ergibt sich aus § 82 Satz 2 und 3 SGB IX. Ein Verstoß gegen diese Pflicht lässt vermuten, dass eine Diskriminierung wegen der Behinderung vorliegt. Kann der Arbeitgeber diese Vermutung nicht widerlegen, muss er dem schwerbehinderten Bewerber nach § 15 AGG eine Entschädigung zahlen.

BVerwG 03.03.2011 – 5 C 15 und 16.10

Tarifliche Altersgrenze von 65 Jahren ist wirksam

Eine tarifliche Altersgrenze, wonach das Arbeitsverhältnis endet, wenn der Arbeitnehmer das 65. Lebensjahr vollendet hat, ist wirksam. Die hierin liegende Befristung des Arbeitsverhältnisses bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze ist nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG gerechtfertigt. Eine entsprechende tarifliche Regelung verstößt auch nicht gegen § 10 AGG.

LAG Hamburg 22.02.2011 – 4 Sa 76/10

Versetzung ins Ausland während der Elternzeit rechtsmissbräuchlich

Ist vereinbart, dass die Arbeitnehmerin während der Elternzeit 30 Stunden/Woche arbeitet und zwar drei Tage zu Hause und zwei Tage „im Büro“, kann der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin regelmäßig nicht anweisen, an den Bürotagen nicht mehr im wohnortnahen Frankfurt am Main zu arbeiten, sondern in die Konzernzentrale nach London zu kommen. Eine solche Weisung kommt einer unzulässigen „Strafversetzung“ gleich, gegen die sich die Arbeitnehmerin im einstweiligen Verfügungsverfahren zur Wehr setzen kann.

LAG Hessen 15.02.2011 – 13 SaGa 1934/10

Kürzung einer Anwesenheitsprämie über den Rahmen von § 4a EFZG hinaus unzulässig

Eine Regelung, wonach eine Anwesenheitsprämie nur denjenigen Arbeitnehmern zusteht, die in dem laufenden Kalenderjahr keinen krankheitsbedingten Fehltag aufzuweisen hatten, ist unwirksam. Folglich können auch Arbeitnehmer mit Krankheitszeiten die Prämie in voller Höhe beanspruchen.

LAG Hamm 13.01.2011 – 16 Sa 1521/09

Außerordentliche Kündigung bei eigenmächtigem Urlaubsantritt nicht immer gerechtfertigt

Eine eigenmächtige Selbstbeurlaubung stellt zwar eine schwere Pflichtverletzung dar. Sie rechtfertigt aber nicht in jedem Fall eine fristlose Kündigung. Es kann Fälle geben, in denen dem Arbeitgeber die Beschäftigung des Arbeitnehmers bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar ist – beispielsweise dann, wenn der Arbeitnehmer lange Zeit arbeitsunfähig erkrankt war, sich nicht sicher ist, ob er wieder vollständig genesen ist und subjektiv meint, zur endgültigen Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit eines Urlaubs zu bedürfen.

LAG Berlin-Brandenburg 26.11.2010 – 10 Sa 1823/10

Erstattungsanspruch des Arbeitnehmers bei Einsatz des eigenen Pkw

In entsprechender Anwendung des § 670 BGB muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer an dessen Fahrzeug entstandene Unfallschäden ersetzen, wenn das Fahrzeug mit Billigung des Arbeitgebers in dessen Betätigungsbereich eingesetzt worden ist. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer zur Abdeckung des Unfallschadenrisikos eine besondere Vergütung erhält. Eine Erstattungspflicht entfällt, wenn der Arbeitnehmer den Unfall grob fahrlässig verursacht hat. Bei mittlerer Fahrlässigkeit ist der Schaden grundsätzlich anteilig unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalles nach Billigkeitsgrundsätzen und Zumutbarkeitsgesichtspunkten zu verteilen. Der Arbeitnehmer, der einen Anspruch auf volle Erstattung des erlittenen Unfallschadens geltend macht, hat darzulegen und ggf. zu beweisen, dass er den Unfall nicht grob fahrlässig verursacht hat.

BAG 28.10.2010 – 8 AZR 647/09

Auflösungsantrag des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber kann nicht die Auflösung des Arbeitsverhältnisses im Zusammenhang mit einer für unwirksam erkannten außerordentlichen Kündigung beantragen. § 13 Abs. 1 Satz 3 KSchG sieht für diesen Fall ausschließlich das Antragsrecht des Arbeitnehmers vor. Dabei bleibt es auch, wenn das Recht des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis ordentlich zu kündigen, tariflich ausgeschlossen ist. Dies gilt nicht nur für die außerordentliche und zugleich fristlose Kündigung. Ein Antragsrecht des Arbeitgebers analog § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG kommt auch im Zusammenhang mit einer für unwirksam erkannten außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist grundsätzlich nicht in Betracht.

BAG 30.09.2010 – 2 AZR 160/09

Auslegung einer Verweisungsklausel auf Tarifverträge

Eine arbeitsvertragliche Klausel, die ihrem Wortlaut nach ohne Einschränkung auf bestimmte Tarifverträge eines konkret bezeichneten Gewerbes in ihrer jeweils gültigen Fassung verweist, ist im Regelfall dahingehend auszulegen, dass die Tarifverträge gerade dieses Gewerbes in der jeweiligen Fassung zur Anwendung kommen sollen. Diese Anwendung darf nicht von Faktoren abhängen, die nicht im Vertrag genannt oder sonst für beide Parteien in vergleichbarer Weise ersichtlich zur Voraussetzung gemacht worden sind.

BAG 22.09.2010 – 4 AZR 98/09

Vergütung bei faktischem Arbeitsverhältnis

Die Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf hat nach § 4 Abs. 2 BBiG grundsätzlich in einem Berufsausbildungsverhältnis zu erfolgen. Möglich ist ferner der Erwerb der dazu notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten in einem Arbeitsverhältnis. Der Abschluss eines anderen Vertragsverhältnisses ist nach § 26 BBiG unzulässig. Schließen die Parteien trotz Ausbildung keinen Berufsausbildungsvertrag, sondern begründen ein anderes Vertragsverhältnis im Sinne des § 26 BBiG auf der Grundlage eines „Anlernvertrages“, ist dieser nach § 4 Abs. 2 BBiG i. V. m. § 134 BGB nichtig. Auf das Rechtsverhältnis sind die Regelungen über das fehlerhafte (faktische) Arbeitsverhältnis anzuwenden. Das heißt, der vermeintlich Auszubildende hat einen Anspruch auf die übliche Arbeitnehmervergütung.

BAG 27.07.2010 – 3 AZR 317/08