Crowdworking – auch in der Schweiz hochaktuell

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Foto von Headway

Zu den Schweizer Pionieren des Crowdsourcing gehören Graphical ID (GID). Gründer des Züricher Sturtups ist Nicola Mammone, der 2014 mit seiner Plattform im Internet startete, um dieses Bieter-Arbeitsprinziep für Graphikaufträge anzubieten: Kunden schreiben einen Wettbewerb für grafische Aufträge wie Logo-Entwicklung oder Flyer-Gestaltung aus – und Grafiker bieten Vorschläge an. In einem mehrstufigen Prozess wählt der Auftraggeber seinen Favoriten. Der Sieger erhält den Ausschreibungspreis. Ab 2015 wollten die Macher von Graphical ID auch in die Westschweiz und den Tessin expandieren – und mit Französisch, Italienisch und Englisch auch bis 2016 praktisch die! Referenz-Plattform und „erste Anlaufstelle für Online-Designaufträge in der Schweiz sein“ – letztlich auch für internationale Partner und Teilnehmer. Ein grosses Zel. Doch der Einstieg in der Schweiz ist für viele Befürworter definitiv geschafft. Der Markt boomt

Wem nutzt die Crowd? Alles offen für jeden und alles?

Der Gedanke des open-source passt gut zu Demokratie und Allgemeinwohl. Man denke einfach einmal an Wikipedia oder die zahlreichen Programmergänzungen zu Twitter, die alle von einer freigiebigen Community kommen. Oder die open-source-Programme, die Menschen helfen, digitale Medien zu nutzen, ohne horrende Software-Preise zahlen zu müssen. Auch das „Crowdfunding“ finden dort gute Anwendung, wo Banken, Kreditberater oder andere Institutionen aus den unterschiedlichsten Gründen, kleinen Unternehmen und Startups wenige Start-Chancen einräumen. Das gute alte „Genossenschaftsprinzip“ findet hier seine moderne Abwandlung – und hat vielen kleinen und seriösen Firmen den Einstieg auf den Markt verschafft.

Standortvorteil – International

Ob für die Crowdworker (Auftraggnehmer) selber oder Crowdsourcer (Auftraggeber): Wer bisher nur sehr regional unterwegs war oder bei seiner Standortwahl eingeschränkt ist, kann mit Crowdplattformen seinen Arbeits- und Unternehmensradius enorm ausweiten. Gut für Kleinst-, Kleinunternehmer und Startups. Lokale Nachfrageschwächen wie auch Nachwuchsprobleme können damit  für regionale Anbieter– zumindest überbrückt werden ihren Radius ausdehnen. Allerdings wächst damit auch – sogar schnell international – die Konkurrenz. Zumindest virtuell.
Doch immer dann, wenn bei kreativen Beiträgen und „geistigem Eigentum“ am Schluss Geld mit ins Spiel kommt, hört für Viele der reine Spaß auf. Freiberufler brauchen Preise am Markt, mit denen Sie leben können.

Sprudelnde Kreativität anzapfen – Menschen erreichen, die man sonst nie erreicht hätte

Auch die Schweizer Plattform atizo.com setzt auf kreative Mitglieder, User, Teilnehmer – wie auch immer man die Beteiligten dieses grossen Netzwerks nennen mag, die sich im Internet treffen, um konstruktiv zu Produkt-, Dienstleistungs-, Markt- und Marketingentwicklungen beizutragen. Mehr als 20.000 sind es bisher. Wer auf die Ideen und Kreativität Vieler setzen möchte, ist mit dieser Geschäftsform im Prinzip gut bedient. Doch wie auch in anderen Ländern (z.B. die USA oder Deutschland), in denen ähnliche Plattformen wie Pilze aus dem Boden schiessen, und so offen und „frei“ sich das Prinzip auch anfühlt und so erfrischend demokratisch der Grundgedanke des „open source-Prinzips“ auch ist: Auch in der Schweiz muss sich jede/r Teilnehmende über mögliche rechtliche Grundlagen der Teilnahme informieren. Auf atizo.com sind die Ideen für alle einsehbar. Wer sich registriert, kann eigene Vorschläge einbringen. Wer hier nachträglich auf „geistiges Eigentum“ pochen möchte, könnte mitunter schlechte Karten haben.

Maklervertrag? Werkvertrag? Oder…?

Die virtuelle Zusammenarbeit, die über Online-Plattformen zwischen Auftraggeber (Crowdsourcer) und Auftragnehmer (Crowdworker) vermittelt wird, findet unabhängig von Ort, Standort und bestimmten Zeiten statt. Beide Seiten kommunizieren digital oft auch in der „Cloud“ miteinander (Cloudworking). So könnte ein Auftraggeber einem Auftragnehmer über die Cloud auch Zugriff auf einzelne Funktionen seines eigenen Unternehmens oder bestimmte Daten geben. Entweder wird ein bestimmter Auftrag vergeben / angeboten, oder es ist eine unbeauftragte Beteiligung möglich wie z.B. beim vor drei Jahren beim Crowdsourcing-Projekt von PostFinance auf atizo.com geschehen oder generell bei open-source-Projekten.

Mögliche arbeitsrechtliche Grundlagen

Ob einer Leistung  ein Auftrag, ein Werkvertrag oder ein Maklervertrag zugrunde liegt, hängt von der Art der Kontaktaufnahme, der Art des Crowdsourcing-Services und der Beziehung/dem Verhältnis von Auftraggeber, dem Crowdplattform-Anbieter und Auftragsnehmer ab

Es gibt folgende Beziehungsstrukturen:

  • Auftraggeber (Crowdanbieter/Crowdsourcer/Besteller) – Auftraggnehmer (Crowdworker/Freelancer)

Der Vertrag hängt von der nachgefragten Leistung ab. Kreative Aufträge wie Grafik- oder Textaufträge (körperliches/unkörperliches intellektuelles Werk) können unter das Werkvertragsrecht fallen. Bei einer Dienstleistung das allg. Auftragsrecht (auftrag.ch, siehe auch freier-mitarbeiter.ch)

  • Auftraggeber (Crowdanbieter/Crowdsourcer/Besteller) – Crowdplattform-Anbieter – Auftraggnehmer (Crowdworker/Freelancer

Hier liegt eine besondere Auftragsform vor: Aufgrund des Vermittlung der Geschäftsbeziehung zwischen Crowdanbieter und Crowdworker durch den Plattform-Anbieter kann ein Maklerverhältnis zustande kommen mit zugrundeliegendem Maklerrecht (maklerrecht.ch)

Tipps für den Einstieg Ihres Unternehmens in neue Personal-Sourcing-Formen

Bevor Sie sich auf das Abenteuer „Crowdsourcing“ einlassen, sind folgende Vorüberlegungen sinnvoll:

  1. Was genau wollen Sie mit dem Einsatz von Crowd-Freelancern erreichen? (Sparen, Überbrücken, Austesten etc.)  Wofür brauche ich Crowdworker, was können sie/kann das Prinzip, was im eigenen Betrieb nicht abgedeckt werden könnte (Tipp: Es schlummern oft ungeahnte Möglichkeiten und Talente in den eigenen Hallen).
  2. Soll der Einsatz entsprechend immer „nur“ sporadisch auftretende Auftragsspitzen oder Engpässe auffangen?
  3. Sind die Aufträge, die in Frage kommen, auch dazu geeignet, von u.U. wechselnden Bearbeitern erledigt zu werden?
  4. Oder brauchen Sie jemanden, der Ihnen in einer Form der vertrauensvollen Betreuung und Beratung für längere Zeit regelmäßig zur Verfügung steht (dann sollten Sie überlegen, ob Sie nicht doch eine Agentur vor Ort anfragen)
  5. Gibt es u.U. jemand, der die Aufträge dann kontrolliert, wieder dem Projekt zuführt?
  6. Gibt es jemanden in Ihrer Firma, der diese Form des Sourcing betreuen könnte/würde? Ist der-/diejenige mit ausreichend Kenntnissen, Zeit, Handlungsspielraum, Entscheidungskompetenz und Budget ausgestattet? Wem berichtet er/sie? Soll er/sie für alle Abteilungen übergreifend zuständig sein? Ist er/sie im HR verortet? Etc. Unser Tipp: Es ist immer sinnvoll, egal ob es sich um Online-Recruiting oder Social-Media-Management – oder eben unterschiedliche Personal-Sourcing-Formen handelt.
  7. Sind Sie über die Möglichen rechtlichen Hintergründe umfassend informiert?
  8. Zu Punkt 7. sind Sie über mögliche juristische und steuerliche Konsequenzen aus der Benutzung von Portalen / Dienstleistungen informiert, die nicht der europäisch-kontinentalen Jurisdiction entsprechen.
  9. Kennen Sie schon alle Crowd-Plattformen, die zu Ihnen, Ihren Werten, Ihrer Arbeitsweise und dem jeweiligen Bedarf passen könnten?
  10. Kennen Sie Crowd-Plattformen schon über Empfehlung und/oder stehen Sie schon mit anderen Unternehmern / HR-Abteilungen in Kontakt, die Ihnen dahingehend Tipps geben können?
  11. Wollen Sie Festpreise je Produkt – oder immer wieder neu verhandeln können?
  12. Was sind Sie bereit an Vermittlungsgebühren zu zahlen?
  13. Was sind Sie bereit, an Freelancer zu zahlen? (Vorsicht, auch hier Mindestlohn-Regelungen beachten)?
  14. Wie differenzieren Sie die Rollenverteilungen zwischen Stammbelegschaft und Freelancern?
  15. Wollen Sie selber Preise mit den Freelancern aushandeln können oder ist es Ihnen lieber, wenn Ihr Plattformanbieter das für Sie übernimmt? Daraus ergibt sich organisch die Überlegung:

Welche Plattform passt zu mir? Im Beispiel: FSS und CIS

Sind Sie ein FSSler (Full-Service-Services) oder CISler (Communication-Intensive Services)? Die Auswahl wird davon bestimmt, wieviel Zeit, Aufwand und Mittel Sie selber investieren können und wollen – und von der Zielsetzung. Wenn Sie nämlich u.U. neue potenzielle Mitarbeiter finden wollen oder einfach Ihr Dienstleister-Netzwerk vergrößern wollen, haben Sie durch den direkten Kontakt auf der CIS-Plattform mehr Glück. Wer einfach und schnell über klare Eingabemasken ein einigermaßen gutes Preis-Leistungsverhältnis sucht, ist mit einem FSS-Portal gut bedient. In jedem Fall gilt – wie im Text über den „Rechtsfreien Raum“ – prüfen Sie vorher alle Ihre Möglichkeiten, Ihren rechtliche Status und den des Portals.

FSS-Anbieter

Sie konzentrieren sich meistens auf eine spezielle Dienstleistung/Crowdsourcing-Arbeit. Sie nehmen Ihnen die Arbeit ab:

  1. die Freelancer auszuwählen, einzustellen und zu testen. Auftragnehmer werden auf Fähigkeiten, Expertise und Qualität getestet – entsprechend werden ihnen Aufgaben angeboten / zugeteilt.
  2. Sie als Auftraggeber legen einzig Zeitraum und Deadline fest. Die FSS übernehmen die gesamte Auftragsbearbeitung (Aufgabenbeschreibung, Versand, Vergabe, evtl. Problembehandlung bis zur Abgabe/Lieferung)
  3. FSS setzen fixe Preise je  nach Qualitätsanforderung und Volumen des Auftrags, der von Beginn an feststeht. Langwierige Diskussionen (Entschädigungen etc.) bei unvorhersehbaren Hindernissen (Zeit/Personal etc.) entfallen.

Texte finden Sie u.a. über: textbroker.com, content.de, textmaster.com, Namen über namingforce.com oder crowdspring.com oder frozenlemons.com
Übersetzungen u.a. über: thebigword.com, getlocalization.com, textmaster.com, gengo.com (früher mygengo.com), content.de, amara.org
Eine Vielzahl an Aufgaben werden vermittelt über: fiverr.com
Designs gibt es u.a. über: 99designs.ch, die Schweizer Depandance des Australischen-Unternehmens, designcrowd.com und crowdspring.com, squadhelp.com

CIS-Anbieter

Hier ist das Angebot viel breiter gefasst. Gehen Sie auf die Seite eines CIS-Anbieters, können Sie nach Spezialisten für Textdienstleistungen – aber auch nach Freelancern für IT, Design, Marketing, Vertrieb etc. suchen. Hier können Sie:

  1. Frei und unabhängig selber nach Kategorien und Aufgaben suchen – und selber Freelancer auswählen und kontaktieren
  2. Selber Ihre Jobbeschreibungen erstellen und einstellen
  3. Selber Ihre ausgewählten Auftragnehmer prüfen und einstufen
  4. Einen Fixpreis festlegen (mit mögl. Gegenvorschlag des Auftragnehmers) – inklusive Festsetzung von „Milestones“
  5. Einen Stundenpreis festlegen – und u.U. ein Programm nutzen, das z.B. Screenshots vom Arbeitsprozess macht – damit sicher ist, dass in der angegebenen Zeit auch gearbeitet wird.

Es wird also wieder spannend

Neue Lebens- und Arbeitsbedingungen bringen immer alte Ordnungen in Unruhe. Das Austesten neuer Arbeitsformen, mit denen auf die sich ändernden Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen reagiert wird, führt zu sogenannten „Testlandschaften“. Bevor sie sich zu einer  Welt mit echten „Wildwest-Manieren“ entwickeln, sollten sich Vertreter von Wirtschaft, Arbeitnehmerverbänden, Politik, und Netzwerken an einen Tisch setzen. Zu wertvoll sind die neuen Ideen und Ansätze, um vollends wieder unter dem Tisch zu verschwinden. Zu wertvoll sind auch hart erkämpfte und für die neuen Arbeitsformen aller Beteiligten wichtige Menschen- und Arbeitsrechte, um sie zu untergraben. Denn Gesellschaft und Unternehmen benötigen dringend Ideen und Innovationen. Wir wollen sicher in der Zukunft und der Welt 4.0 ankommen und nicht wieder in der ebenfalls relativ “rechtsfreien” vor-/industriellen Zeit landen. Hier sind alle kreativen Köpfe und demokratischen Kräfte gefragt.

Downloads und Quellen zum Vertiefen und Weiterlesen:

http://www.startupticker.ch/en/news/june-2014/crowdsourcing-plattform-fuer-graphische-auftraege-gut-gestartet

http://www.qontis.ch/panorama/social-commerce/crowdsourcing-was-es-bedeutet-und-wie-es-funktioniert-798

https://www.law-news.ch/2015/06/maklerrecht-auftrag-internationales-recht-crowdworking-aus-rechtlicher-sicht

http://www.watson.ch/Wirtschaft/International/163827012-Crowdworker-%E2%80%93-neue-Helden-der-Arbeit-oder-digitale-Tagl%C3%B6hner-

Der Schweizer Crowdsorcing-Blog, der Crowdeffekt: http://www.crowdeffect.ch/

Hans-Böckler-Stiftung (media.boeckler.de/Sites/A/Online-Archiv/18813):
Heft der Hans-Böckler-Stiftung, magmb_201602: Mitbestimmung | N r. 2 | April 2016, Thema Crowdsourcing auf den Seiten: 10-14

IG-Metall (https://www.igmetall.de/Christiane%20Benner_Crowdwork_be9d522be390c2b492763179b6a469c499e1eb0b.pdf):
Leseprobe aus: Crowdwork –zurück in die Zukunft ? Perspektiven digitaler Arbeit herausgegeben von Christiane Benner, 2014, 420 Seiten, gebunden, „Euro 29,90, ISBN 978-3-7663-6395-

Aritkel “3 Beispiele für Crowdworking als Zukunfts-Trend in der Arbeitswelt: So wird Ihr Job zum Baukasten” von Stephanie Hornung

Beitrag im Deutschlandfunk zum Crowdsourcing
http://www.deutschlandfunk.de/crowdworking-kreative-koepfe-a-la-carte.680.de.html?dram:article_id=369083

Seite, auf der der Crowdsourcing-Report 2012 vorgestellt wird; herausgegeben von Claudia Pelzer für den Deutschen Crowdsourcing Verband und Karsten Wenzlaff sowie Jörg Eisfeld-Reschke für ikosom.de.
Ausgezeichnet von der ZEIT und  Stiftung lesen, mit einem Beitrag von Simone Janson.

ausserdem:
http://www.startupticker.ch/en/news/june-2014/crowdsourcing-plattform-fuer-graphische-auftraege-gut-gestartet
http://www.qontis.ch/panorama/social-commerce/crowdsourcing-was-es-bedeutet-und-wie-es-funktioniert-798
https://www.law-news.ch/2015/06/maklerrecht-auftrag-internationales-recht-crowdworking-aus-rechtlicher-sicht
http://www.watson.ch/Wirtschaft/International/163827012-Crowdworker-%E2%80%93-neue-Helden-der-Arbeit-oder-digitale-Tagl%C3%B6hner-
http://www.crowdeffect.ch/

Pioniere neuer Arbeitsformen  – Crowdsourcing und Crowdworking

Nehmen wir einmal an, Sie hätten ein komplexes Projekt in Arbeit, dessen Aufgaben sich aufteilen in Bereiche, die so differenziert sind, dass sie unbedingt von Fachleuten erledigt werden müssen, und in Bereiche, dessen Aufgaben lediglich zeitaufwändige Routine-Eingaben, Recherchen oder Datensammlungen erfordern. Beide Bereiche können Sie jedoch mit ihrer derzeitigen Personaldecke nicht ausreichend bedienen. Das Projekt selber ist jedoch zu wichtig, als dass man es ad acta legen – oder der Konkurrenz überlassen könnte.
Die Lösung kann in diesem Falle wirklich heissen: Croudsourcing, das heisst die Nutzung vieler einzelner Arbeiter, die speziell und nur für dieses Projekt von allen Gebieten Deutschlands, ja sogar der Welt aus – ihren Beitrag leisten, vorausgesetzt:

  1. Man hat dafür die nötige technische Infrastruktur,
  2. Man unterhält  selber ein aktives Netzwerk aus firmennahen Mitarbeitern (Ehemalige, Selbständige, Teilzeitkräfte, Angestellte mit zusätzlichen Ressourcen, Firmenpartnern, Branchen-Netzwerkpartnern) oder
  3. Man hat sich zum Einholen und Treffen passender Auftragnehmer bei einer der mittlerweile fast 100 Plattformen für Crowdsourcing angemeldet.

Die Crowd-Plattform im Internet – der „Meeting-Place“ für projektbezogene Zusammenarbeit

Was ist die „Crowd“ (von engl. „Ansammlung von Menschen“)? Das sind Leute, die sich durch die Erledigung entweder relativer niedrigschwelliger Mikroaufgaben wie das Eingeben von Adress- oder Kundendaten, Kontrollieren von Daten, Testen von Apps, Sammeln von Daten für neue Apps etc. ein Zubrot verdienen, bis hin zu Leuten, die hochkarätige Facharbeit leisten, wie die Durchführung wichtiger Forschungsaufgaben, Testreihen, Auswertungen, Design- und Entwicklungsleistungen. Der Vorteil für alle: In einer Art „Baukastensystem“  stellen sich Auftraggeber wie Auftragnehmer ihre Anforderungen wie Arbeitseinsätze individuell und passend zu den aktuellen Zeit- und Fachressourcen zusammen. Dazu sind die Crowd-Plattformen wie geschaffen. Hier im „virtuellen Raum“ lassen sich Arbeitsverhältnisse ganz nach Wunsch und Bedarf zusammenstellen. So lautet zumindest die Idee dahinter, die sehr schnell Schule machte: Mittlerweile gibt es bereits rund 100 dieser Plattformen mit unterschiedlichen Schwerpunkten geben und einen dazu passenden Verband, den Deutschen Crowdsourcing Verband e.V. mit dem Vorsitzenden Christoph Sieciechowicz als Ansprechpartner.

Digitale Vernetzung: Möglichkeit einer demokratischen Lebens- und Arbeitshaltung

Voraussetzung für ein solches Arbeiten ist auf beiden Seiten:

  • Vertrauen, die Fähigkeit, Aufgaben klar zu benennen, zu erkennen, zu definieren und auszuschreiben,
  • die Fähigkeit sich und andere gut und klar einzuschätzen,
  • Verbindlichkeit, Ablegen alter Ansprüche an immerwährender Kontrolle, Präsenzarbeit,
  • eine gewisse „digitale Kompetenz“ sowie kompatible Hard- und Software, die Online-Meetings, Skype, Projektarbeits-Tools etc. ermöglicht
  • Offenheit für neue Ideen und Mitbestimmung, das Abgeben von Kompetenzen und Verantwortung
  • sowie die Fähigkeit, in Netzwerken zu arbeiten.

Interessanterweise gibt es in diesem Zusammenhang zwei Entwicklungen

  1. Selbständige, die schon immer in Netzwerken komplexere Projekte mit anderen Dienstleistern abwickeln – und sich irgendwann entschliessen, mit diesen unterschiedlichen Funktionen, die im Grund ja Abteilungen entsprechen, eine Firma zu gründen.
  2. Firmen, die immer weniger auf feste Angestellte und Abteilungen setzen und stattdessen immer mehr auf Arbeitsarrangements in Form eines „Modul- oder Baukastensystems“ und frei „modellierbarer“ Aufgabengebiete über Externe Mitarbeiter und Netzwerkpartner setzen.

Arbeit 4.0 – die „New Work“: Neuland für Wirtschaft und Rechtsprechung

Beim Crowdsourcing des Arbeitgebers auf der einen Seite und dem Crowdworking des Arbeitnehmers auf anderen Seite zeigen sich die Chancen des „New Work“, der neuen Arbeitsweltentwicklungen in Reinform: Hier gibt es viel Raum für Freiheit, Flexibilität, Selbstbestimmung, Reaktionsfähigkeit und Mitbestimmung. Und doch zeigt sich auch die andere Seite der Medaille, denn die rechtlichen Rahmenbedingungen und Standards hinken der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung hinterher: Hier wird noch viel experimentiert. Viele DSigital Immigrants sind noch mit den Ansprüchen und Normen der analogen Arbeitswelt aufgewachsen, und die neuen Freiheiten mögen den einen oder anderen zu Verfahrensweisen verführen, die die neue Freiheit missbrauchen.

Eine bunte Mischung aus Vorteilen und Nachteilen für alle Beteiligten

Vorteile für die Arbeitnehmer:

  • Sie können sich im Idealfall die für sie passenden Aufgaben und Arbeitgeber aussuchen,
  • Sie arbeiten mit abwechslungsreichen Aufgaben,
  • Sie können Aufgaben u.U. mitgestalten und kreative Lösungen einbringen,
  • Sie können die Aufgaben in Dauer, Intensität und Anforderung variieren und entsprechend an ihre Lebenssituation anpassen.
  • Darüber hinaus können sie ihre Zeit flexibel einteilen und eigenständiger über Arbeits- und Einsatzzeiten entscheiden – und damit u.U. Familie und Beruf besser vereinbaren.
  • Bastian Unterberg, Gründer von jovoto, einer Kreativ-Plattform, die in Zusammenarbeit mit Werbeagenturen, Non-Profit-Organisationen und Unternehmen international kollaborative Ideenfindung ermöglicht, fügt dem hinzu, dass sich davon gerade auch Beteiligte angesprochen fühlen könnten, die starre und stark hierarchische Organisationsformen, wie sie in vielen grossen Konzernen herrschen, umgehen wollen.

Nachteile für die Arbeitnehmer:
Die neueste Rechtsprechung hat es schon gezeigt: Allein schon für das gute alte „Homeoffice“ gelten in Sachen Versicherungsschutz schlechtere Standards als für die Beschäftigung im Unternehmen. Bei den unterschiedlichen Beschäftigungsformen durch das Crowdworking sieht das noch schlechter aus. Die Bedingungen gestalten sich da im Einzelfall extrem unterschiedlich.
Die neue Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt führt zu einer „rechtlichen Verunsicherung“, die Arbeitnehmerrechte aushebeln kann.
Ungeklärt sind u.a.:

  • Fragen zur Haftung, zur Sozialversicherung, zu Datenschutz und Privatsphäre.
  • Teilweise scheinen die Entlohnungsmodelle Selbst- und Fremdausbeutung zu begünstigen und die
  • Löhne unter Mindestlohn zu liegen. Ausserdem ist die Rede von
  • zuweilen „sittenwidrigen AGBs“, so Vanessa Barth, zuständig für die Plattform http://www.faircrowdwork.org der IG Metall, die mit diesem 2015 gegründeten Unterstützungsangebot auf diese jüngste Entwicklung am Arbeitsmarkt reagiert hat. Das ist umso schwerwiegender, als dass bei der Auftragsvergabe in der Regel kein Arbeitsvertrag mit entsprechenden Schutzrechten zustande kommt,
    bei Fehlen eines solchen und überall dort, wo das klassische Arbeitsrecht nicht greift, jedoch die AGB‘s die Beziehungen zwischen den freien Mitarbeitern und denen, die ihnen Aufträge erteilen, regeln.
  • Die Plattform zum Crowdworking online www.faircrowdwork.org und bietet einen Überblick über einschlägige Arbeitgeber nebst ihren AGB; ebenso wie die Möglichkeit, diese Arbeitgeber zu bewerten.
  • faircrowdwork fördert und ermöglicht die Vernetzung und den Austausch der Crowdworker. Das findet auch anderswo im Internet statt – und ist sehr wichtig, um sich über Erfahrungen und Bewertungen auszutauschen, doch echte Ausbeutung dämmt das nicht immer ein. Wichtig für Frau Barth: Wir kommen mit der Community ins Gespräch“. Mittlerweile richten sich selbst Crowdsourcing-Plattfomen an Frau Barth und bitten um Rat.

Vorteile für den Arbeitgeber:

  • Freier, zum Teil branchenspezifischer Zugriff auf unterschiedliche Mitarbeiterkandidaten,
  • die Möglichkeit, durch einen externen und vielleicht nicht zu 100% der Branche zugehörigen Mitarbeiter einen frischen, unverstellten „Blick von aussen“ und kreative Lösungsansätze und Impulse für Innovationen zu bekommen und damit
  • den momentan recht grossen Innovationsdruck auf die Unternehmen abzuschwächen, dazu gibt es das sogenannte „Crowdstorming“ eine Art „Brainstorming, Ideensammlung und mit grosser Reichweite“, ferner
  • die Möglichkeit, Zugriff auf einen bisher unbekannten Talent-Pool zu erhalten und
  • die Möglichkeit des Austestens interessanter Mitarbeiter-Kandidaten bis hin zu einem spannenden Personalkontakt, den es sonst u.U. nicht gegeben hätte und der zu einem regulären Einstellungsverfahren führen könnte,
  • dazu Möglichkeiten, neue Strukturen und Ideen auszutesten,
  • flexible Einsatzmöglichkeiten von Arbeitnehmern, besonders beim Abpuffern von Auftragsspitzen oder schon voraussehbaren Engpässen, hinzu kommen
  • deutliche Kostenersparnisse.

Nachteile für den Arbeitgeber:

  • Die rechtliche Unsicherheit ist enorm und damit auch
  • die „Chance“, ohne gründliche, saubere Vorbereitung der Massnahmen, u.U. als „Präzedenzfall“ vor Gericht herzuhalten,
  • die Gefahr, dass man das eigene Talentmanagement in der Firma (weiterhin) vernachlässigt und vielversprechende eigene Leute nicht ausreichend fördert, so dass
  • diese Kompetenzträger aus der Firma auswandern, was den Innovationsdruck noch verstärken könnte.
  • Ferner (weiterhin) die Gefahr, dass man die eigene Innovationskraft innerhalb der Firma nicht ausreichend fördert und aufbaut, sondern sich nur auf Fremdideen und Fremdkompetenzen einlässt und verlässt