Arbeitgeber sollten unbedingt ihre Musterarbeitsverträge auf Urlaubsregelungen überprüfen, die nach dem Alter differenzieren. Angesichts dieser Entscheidung ist nämlich damit zu rechnen, dass Arbeitnehmer auch Ungleichbehandlungen gerichtlich angreifen werden, die auf Grundlage von Individualverträgen erfolgen. Kann ein Mitarbeiter dies beweisen, obliegt es dem Arbeitgeber, zu begründen, warum die Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist. Im Übrigen sind natürlich die Tarifvertragsparteien gefordert, künftig Regelungen abzuschließen, die einer Prüfung durch die Arbeitsgerichte standhalten.

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RA und FA für Arbeitsrecht Dr. Daniel Hund, Beiten Burkhardt, München

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht · 11/12

Das BAG entschied zugunsten der Arbeitnehmerin. Die Urlaubsstaffelung in § 26 TVöD ist altersdiskriminierend und daher nach § 7 Abs. 1 und 2 AGG unwirksam. Die Ungleichbehandlung der einzelnen Altersgruppen ist insbesondere nicht nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt. Die Regelung in § 26 TVöD dient nicht dem Schutz älterer Beschäftigter i. S. v. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Aus einer tariflichen Urlaubsstaffelung, die den Beschäftigten bereits nach dem 30. Lebensjahr drei weitere Urlaubstage und ab dem 40. Lebensjahr letztmals einen zusätzlichen Urlaubstag gewährt, lässt sich nicht ableiten, dass die Tarifvertragsparteien einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten. Es fehlt jeder Anhaltspunkt, dass sie von einem so deutlich gesteigerten Erholungsbedürfnis bereits nach dem 30. Lebensjahr ausgingen.

Gegen eine solche Annahme spricht auch, dass die Tarifvertragsparteien den Beschäftigten letztmals nach dem 40. Lebensjahr nur einen weiteren Urlaubstag gewährten. Damit hätten sie ein gesteigertes Erholungsbedürfnis in der Zeit bis zum gesetzlich festgelegten Alter für die Regelaltersrente unberücksichtigt gelassen. Denn selbst wenn die Erholungsbedürftigkeit mit zunehmendem Lebensalter steigt, hätte es mit dem Schutz älterer Arbeitnehmer nichts zu tun, bereits mit dem 30. Lebensjahr den Urlaubsanspruch um drei Tage aufzustocken sowie die zweite – und zugleich letzte – Verlängerung um einen Urlaubstag schon mit dem 40. Lebensjahr vorzusehen.

Die daraus folgende Diskriminierung lässt sich nicht auf andere Weise ausschließen, als durch Anpassung „nach oben“. Dies steht im Einklang mit der EuGH-Rechtsprechung, wenn die Diskriminierung auf andere Weise nicht zu beheben ist, weil der Arbeitgeber den Begünstigten für die Vergangenheit die Leistung nicht mehr entziehen kann.

Die Konsequenzen aus der Entscheidung sind immens. Sämtliche Differenzierungen in tariflichen Urlaubsregelungen sind nach dem Maßstab des BAG darauf zu prüfen, ob sie sachlich gerechtfertigt oder altersdiskriminierend sind. Und mehr noch: Auch Urlaubsregelungen in Musterarbeitsverträgen, die nach dem Lebensalter differenzieren, müssen auf den Prüfstand. Es kann ebenfalls altersdiskriminierend sein, wenn der Arbeitgeber seinen Beschäftigten auf der Grundlage von Individualverträgen je nach Lebensalter unterschiedlich lange Urlaub gewährt.

Allerdings lässt sich der Entscheidung auch eine gute Nachricht entnehmen: Nicht jede Urlaubsregelung, die nach dem Alter differenziert, ist zwingend diskriminierend. Vielmehr ist im Einzelfall zu entscheiden, ab wann in der jeweiligen Branche von einem gesteigerten Erholungsbedürfnis auszugehen ist und ob die Vorschrift dementsprechend unterscheidet. Was die Rechtsfolge einer Altersdiskriminierung in tarifvertraglichen Regelungen angeht, bleibt sich das BAG in dieser Entscheidung treu: Die Anpassung „nach oben“ und die daraus folgende „Meistbegünstigung“ der Diskriminierten ist zwar nicht unumstritten, stellt aber mittlerweile die gefestigte Rechtsprechung des BAG dar.

Tarifvertragliche Regelungen des öffentlichen Dienstes, die nach dem Alter unterscheiden, sind regelmäßig Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen. Im vorliegenden Fall ging es um § 26 TVöD. Nach dieser Vorschrift erhalten Arbeitnehmer, die jünger sind als 30 Jahre, nur 26 Urlaubstage pro Jahr. Mitarbeiter zwischen 30 und 39 Jahren haben dagegen Anspruch auf 29 und ab dem 40. Lebensjahr auf 30 Urlaubstage pro Jahr.

Eine Beschäftigte klagte gegen ihren Arbeitgeber und verlangte, dass er sie für die Vergangenheit so stellt, als würde sie der meistbegünstigten Gruppe „40 plus“ angehören. Die Tarifvertragsparteien hätten mit § 26 TVöD eine Regelung getroffen, die altersdiskriminierend und damit unwirksam sei.

Der Arbeitgeber war der Ansicht, § 26 TVöD differenziere in zulässiger Weise nach dem Alter. Beschäftigte seien mit zunehmendem Alter aufgrund beruflicher Belastungen länger krank. Ihnen dürfe daher mehr Erholungsurlaub gewährt werden.