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1 Warum Mediation?

Unternehmen ziehen Mediation bei arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen oft nicht in Betracht, weil das arbeitsgerichtliche Verfahren selbst auf eine einvernehmliche Konfliktlösung abzielt. In der Güteverhandlung, aber auch nach deren Scheitern im Laufe des streitigen Verfahrens sollen Richter an deutschen Arbeitsgerichten zu jeder Zeit versuchen, eine gütliche Einigung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer herbeizuführen.

Dabei ist die Erfolgsquote hoch und liegt im Bundesdurchschnitt bei ca. 60 %. Sie ist jedoch nicht gleichzusetzen mit der Zufriedenheit der Parteien über den jeweils erzielten Vergleich. Ursache der Unzufriedenheit und Enttäuschung ist häufig, dass bei arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen weniger Rechtspositionen als wirtschaftliche oder private Interessen, aber auch Emotionen der Parteien im Vordergrund stehen. Sie können jedoch vor Gericht aufgrund des bestehenden Zeit- und Erledigungsdrucks keine Berücksichtigung finden. Das ist kein Vorwurf an die Richter, sondern bietet Raum für Mediation, der nicht außer Acht gelassen werden sollte.

   Wichtig  

Im Gegensatz zu einem gerichtlichen Verfahren zeichnet sich eine Mediation dadurch aus, dass sie sich von juristischen Positionen losgelöst an persönlichen und/oder wirtschaftlichen Interessen der Parteien orientieren kann. Auch die Ursachen eines Konflikts lassen sich im Laufe einer Mediation betrachten und verarbeiten. Außerdem haben die Parteien den Beginn, Ablauf und Ausgang des Verfahrens selbst in der Hand. Sie können auf diese Weise ausgewogene Lösungen erarbeiten, die die Beteiligten nicht nur hinnehmen, sondern nachhaltig akzeptieren.

2 Formen der Mediation

Eine Mediation kann in jeder Phase eines Streits beginnen. Der Gesetzentwurf unterscheidet nach Zeitpunkt und Person des Mediators zwischen – außergerichtlicher, – gerichtsnaher und – gerichtsinterner Mediation.

Eine außergerichtliche Mediation findet unabhängig von einem Gerichtsverfahren statt, wenn also (noch) keine Klage anhängig ist. Wird eine Mediation während eines Gerichtsverfahrens durchgeführt, handelt es sich entweder um eine gerichtsnahe oder um eine gerichtsinterne Mediation. Bei einer gerichtsnahen Mediation wird eine Person außerhalb des angerufenen Arbeitsgerichts als Mediator beauftragt. Die gerichtsinterne Mediation begleitet ein Richter des zuständigen Arbeitsgerichts als Mediator, der jedoch nicht der Richter des anhängigen Gerichtsverfahrens sein darf. Entscheiden sich die Parteien während eines laufenden Gerichtsprozesses für eine Mediation, ordnet das Arbeitsgericht das Ruhen des Prozesses an.

Es steht den Parteien frei, sich für eine dieser drei Mediationsformen zu entscheiden. Dabei erscheint die gerichtsinterne Mediation kostengünstig, weil der Richter als Mediator in diesem Fall nicht zu vergüten ist. Private Mediatoren werden dagegen i. d. R. nach Zeitaufwand bezahlt. Voraussetzung für eine gerichtsinterne Mediation ist lediglich, dass zuvor Klage in derselben Angelegenheit erhoben wurde. Sie ist jedoch nur möglich, wenn das jeweilige Bundesland durch Erlass einer Rechtsverordnung Richter für diese Tätigkeit zur Verfügung stellt. Ist dies nicht der Fall, können Arbeitgeber und Arbeitnehmer Richter (lediglich) wie jede andere private Person als außergerichtliche oder gerichtsnahe Mediatoren auswählen und müssen sie auch dementsprechend vergüten. Die an einigen Arbeitsgerichten aufgrund von Modellprojekten bereits eingeführte gerichtsinterne Mediation darf weiterhin bis zum Erlass einer Rechtsverordnung genutzt werden, maximal jedoch für die Dauer von einem Jahr nach Inkrafttreten des Mediationsgesetzes.

3 Voraussetzungen einer erfolgreichen Mediation

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung beschreibt die Mediation als ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem die Parteien mithilfe eines oder mehrerer Mediatoren anstreben, freiwillig, eigenverantwortlich und einvernehmlich ihren Konflikt beizulegen. Aus dieser allgemein gängigen Definition lassen sich die vier tragenden Säulen der Mediation ableiten – Vertraulichkeit,

  • Mediator/en,
  • Freiwilligkeit und
  • Eigenverantwortlichkeit.

   Praxistipp  

Jede einzelne dieser Säulen muss während des gesamten Mediationsverfahrens gegeben sein. Liegt eine nicht (mehr) vor, wird das Verfahren scheitern. Die Parteien sollten sich daher konstant vergewissern, dass alle Säulen noch vorhanden sind, und die Mediation unmittelbar beenden bzw. zumindest unterbrechen, wenn dies nicht (mehr) der Fall ist.

4 Vertraulichkeit

Die Vertraulichkeit ist möglicherweise der entscheidende Grund, ein Mediationsverfahren durchzuführen. Der Arbeitgeber muss Geschäftsgeheimnisse oder sonstige sensible Informationen nicht – wie in einem Gerichtssaal – in der Öffentlichkeit besprechen, da die Mediation hinter verschlossenen Türen stattfindet. Außerdem sind sämtliche an der Mediation beteiligten Personen verpflichtet, über alles, was sie im Laufe des Verfahrens erfahren, Stillschweigen zu bewahren. Eine solche absolute Vertraulichkeit ermöglicht es Arbeitgeber und Arbeitnehmer, alle aus ihrer Sicht für eine Konfliktlösung erheblichen Umstände und Interessen, aber auch Emotionen frei zu äußern, ohne Nachteile befürchten zu müssen. Standpunkte in einer solchen Atmosphäre austauschen zu können, ist die Basis für eine nachhaltige Lösung, die beide Parteien zufrieden stellt, und damit ein unverkennbarer Vorteil der Mediation. In folgenden Fällen ist die Vertraulichkeit der Mediation ein großer Vorteil:

  Beispiel  1 

Der Arbeitgeber hat sich von einem Mitarbeiter durch Kündigung getrennt. Der Betreffende ist sauer. Er droht während des Kündigungsschutzprozesses damit, sensible Informationen an die Öffentlichkeit zu geben. Eine solche Veröffentlichung würde für das Unternehmen nicht nur einen irreparablen Imageschaden zur Folge haben, sondern auch den geplanten Börsengang erheblich beeinträchtigen.

  Beispiel  2 

Ein bereits ausgeschiedener Mitarbeiter hat bei einem Wettbewerber angeheuert. Es stellt sich heraus, dass der Beschäftigte bei seinem Ausscheiden Dokumente und Daten mit Geschäftsgeheimnissen mitgenommen hat. Im Rahmen einer Klage auf Unterlassung der Verwertung und Herausgabe der Informationen oder eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung müsste der Arbeitgeber erläutern, weshalb es sich bei den entwendeten Dokumenten und Daten um Geschäftsgeheimnisse handelt und damit das Geheimnis preisgeben.

  Beispiel  3 

Ein Arbeitnehmer hat gegen seinen Arbeitgeber Zahlungsklage erhoben. Die Erfolgsaussichten sind aufgrund unklarer Rechtslage offen. Unterliegt der Arbeitgeber jedoch, müsste er mit erheblichen Nachforderungen der übrigen Belegschaft rechnen. Er möchte dieses Risiko nicht eingehen und in jedem Fall ein für ihn nachteiliges Urteil vermeiden.

   Wichtig  

Das Mediationsgesetz enthält im Hinblick auf die Vertraulichkeit eine Lücke. Zwar sind der Mediator und seine Hilfspersonen, z. B. Bürokräfte, zur Verschwiegenheit verpflichtet. Auch haben diese Personen ein Zeugnisverweigerungsrecht für den Fall, dass die Mediation scheitert und es zu einem Gerichtsprozess kommt bzw. dieser fortgesetzt wird. Die gesetzliche Verschwiegenheitspflicht erfasst jedoch nicht den streitenden Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie die von ihnen hinzugezogenen Personen. Sie sind nur dann zur Verschwiegenheit verpflichtet, wenn sie einen entsprechenden Beruf ausüben, z. B. als Rechtsanwalt oder Arzt.

   Praxistipp  

Vor Beginn einer Mediation empfiehlt es sich, mit allen teilnehmenden Personen eine Verschwiegenheitsvereinbarung abzuschließen. Die Vereinbarung sollte insbesondere folgende Regelungen enthalten:

5 Freiwilligkeit

Um eine Mediation in Gang zu setzen, müssen der streitende Arbeitgeber und Arbeitnehmer dies übereinstimmend wollen. Sie wird auch nur so lange fortgesetzt, wie beide Parteien hierzu willig sind. Niemand kann zu einer Mediation gezwungen werden. Denn fehlt es an der Kooperations- bzw. Einigungsbereitschaft, ist das Ganze von vornherein aussichtslos. Ein gescheiterter Mediationsversuch ist daher auch künftig keine Voraussetzung für ein arbeitsgerichtliches Verfahren. Der Kläger soll lediglich in der Klageschrift angeben, ob eine Mediation bereits vor Klageerhebung stattgefunden hat bzw. ob es Gründe gibt, die einer Mediation entgegenstehen.

6 Eigenverantwortlichkeit

Die Parteien können nicht nur das Mediationsverfahren jederzeit und ohne Grund beenden, sondern auch den gesamten Ablauf bestimmen. Die Lösung des Konflikts liegt in ihren Händen, d. h. sie arbeiten gemeinsam an einer abschließenden Vereinbarung und entscheiden, welche Maßnahmen oder Absprachen auf dem Weg dazu notwendig sind. Diese unverzichtbare aktive Rolle der Parteien ermöglicht es, in kurzer Zeit Ergebnisse zu finden, die auf den konkreten Streit und die dahinter stehenden Interessen zugeschnitten sind.

7 Mediator

Die Eigenverantwortlichkeit der Parteien erfordert, dass der Mediator keine Entscheidungen trifft. Anders als ein Richter hat er eine rein unterstützende und neutrale Rolle. Er erteilt auch keinen Rechtsrat, vielmehr besteht seine Hauptaufgabe darin, die Kommunikation zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu fördern und für eine angenehme Verhandlungsatmosphäre zu sorgen. Bei der Wahl des Mediators, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam zu Beginn des Verfahrens treffen, ist daher wichtig, dass er

› einen für beide Parteien angenehmen Verhandlungs- bzw. Mediationsstil anwendet und

› in der Lage ist, die Interessen beider Parteien gleichermaßen zu berücksichtigen.

Ganz generell regelt das Mediationsgesetz weder das Berufsbild noch die Aus- und Fortbildung des Mediators. Es haben sich jedoch neben Richtern bestimmte Berufsgruppen, z. B. Psychologen und Rechtsanwälte, aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung als Mediatoren als geeignet erwiesen, insbesondere wenn sie entsprechende Fortbildungen und Erfahrungen im Bereich der Mediation vorweisen können. Verbände und Berufsgruppen befassen sich bereits mit Zertifizierungssystemen, die künftig bei der Wahl eines qualifizierten Mediators Hilfe leisten sollen. Nicht zu empfehlen ist, einen Mitarbeiter des eigenen Unternehmens einzusetzen, da dieser nie vollständig von eigenen bzw. Interessen seines Arbeitgebers frei sein wird und zu befürchten ist, dass die Parteien ihm nicht das notwendige Vertrauen entgegenbringen.

   Wichtig  

Das Mediationsgesetz bietet die Möglichkeit, die in der Mediation geschlossene Vereinbarung von einem Arbeitsgericht oder einem Notar für vollstreckbar erklären zu lassen. Für den Fall, dass eine Partei ihren Pflichten aus der Vereinbarung nicht nachkommt, kann die andere Partei dann unmittelbar die Vollstreckung einleiten, ohne zuvor (erneut) ein Gerichtsverfahren durchführen zu müssen.

   Praxistipp  

Da der Inhalt einer Vereinbarung für die Vollstreckung eindeutig und bestimmt formuliert sein muss, ist es sinnvoll, eine Person mit juristischem Fachwissen an der Mediation mitwirken oder zumindest die getroffene Vereinbarung abschließend von ihr überprüfen zu lassen.

8 Mediation im Pendelverfahren

Einzelgespräche der Parteien mit dem Mediator stellen nach dem Mediationsgesetz den Ausnahmefall dar. Alle Beteiligten müssen sie übereinstimmend wollen. Generell sollen die Verhandlungen in einem Raum an einem gemeinsamen Tisch mit dem Mediator erfolgen. Im Gegensatz dazu haben sich in den USA gerade bei arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen, insbesondere Trennungssachverhalten, Verhandlungen im Pendelverfahren („shuttle diplomacy“) als erfolgreich und daher als bevorzugte Methode herausgestellt. Bei dieser Mediationsart findet lediglich ein gemeinsames Eröffnungsgespräch mit dem Mediator statt und anschließend teilen sich die Parteien auf unterschiedliche Räume auf.

Das Eröffnungsgespräch nutzt der Mediator, um sich zu vergewissern, dass die Parteien den Ablauf der Mediation und den Umfang der Verschwiegenheitspflichten verstanden haben. Soweit er nicht bereits vor dem Zusammentreffen darauf hingewiesen hat, ob und in welchem Zusammenhang er – sei es beruflich oder privat – bereits mit einer oder beiden Parteien in Kontakt stand, sollte dies ebenfalls im Eröffnungsgespräch erfolgen. Nur so kann jede Partei für sich prüfen und entscheiden, ob der Mediator seiner neutralen Rolle gerecht werden kann, d. h. nicht in einem Interessenkonflikt steht und nicht eine Seite bevorzugen wird. Wer bereits für eine Partei in derselben Sache tätig gewesen ist, darf nicht als Mediator auftreten. Außerdem stellt der Mediator in dem Eröffnungsgespräch kurz und wertungsfrei den Sachverhalt dar, den ihm i. d. R. jede Partei in einem kurzen Schriftsatz vorab geschildert hat.

Am Ende des Eröffnungsgesprächs teilt der Mediator die Parteien auf verschiedene Räume auf und pendelt dann als Bote zwischen ihnen. Er vermittelt die gegenseitigen (Rechts-)Auffassungen und Interessen und überbringt Lösungsangebote. Im Rahmen der Einzelgespräche ist es den Parteien möglich, dem Mediator sämtliche Interessen an der bestehenden Auseinandersetzung offenzulegen, auch solche, die sie nicht mit der Gegenpartei teilen wollen. Diese muss der Mediator dann auch vertraulich behandeln. Dadurch erhält er sehr schnell (meist innerhalb von Stunden) Hinweise auf eine mögliche Konfliktlösung. Er ist daher in der Lage, den Verhandlungen eine entsprechende Richtung zu geben bzw. gemeinsam mit den Beteiligten Lösungsmöglichkeiten zu suchen, ohne dabei seine Neutralität zu verletzen. Zugleich kennt er aber auch die Grenzen der Verhandlungsbereitschaft und kann den Parteien mitteilen, ab welchem Zeitpunkt weitere Verhandlungen keinen Sinn mehr ergeben.

Sind die Beteiligten zu einer Einigung gelangt, führt der Mediator sie wieder in einem Raum zusammen. Die abschließende Vereinbarung formulieren dann alle unmittelbar gemeinsam. Auf diese Weise lassen sich die meisten Mediationen innerhalb eines Tages abschließen. Neben der Schnelligkeit ist der Vorteil dieser Methode, dass die Parteien auch ihre Emotionen ohne Hemmungen gegenüber dem Mediator zum Ausdruck bringen können und dieser ihnen als neutraler Dritter zuhört. Allein dadurch tritt bereits eine erste Befriedigung ein, die für den Erfolg der weiteren Verhandlungen wichtig ist. Dieser Methode steht das Mediationsgesetz nicht entgegen.

   Praxistipp  

Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten zu Beginn der Mediation mit dem Mediator vereinbaren, wie sie die Verhandlungen gestalten wollen, insbesondere ob es Einzelgespräche mit dem Mediator geben soll. Es empfiehlt sich zudem, konkrete Verfahrensregeln aufzustellen.

9 Fazit

Das geplante Mediationsgesetz soll Arbeitgeber und ihre Berater dazu ermuntern, sich mit den zahlreichen Vorteilen einer Mediation gegenüber einem Arbeitsgerichtsprozess auseinanderzusetzen und – jedenfalls im Einzelfall – Nutzen daraus zu ziehen. Bei Trennungen von Mitarbeitern übersehen Arbeitgeber häufig, dass sie erheblichen Schaden nehmen können, etwa wenn der Beschäftigte droht, sensible Informationen zu veröffentlichen. Solche und andere Fälle sind nicht selten und lassen sich in einer Mediation nicht nur schneller, sondern auch vertraulich und für beide Seiten zufrieden stellend klären. Dabei ist der Zeitaufwand im Vergleich zum drohenden Unternehmensschaden vielfach geringer. Die Rechtsschutzversicherungen haben die Vorteile der Mediation erkannt und bieten sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer bereits entsprechende Policen an.

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht - 06/11