1. Falsche Angaben beim Bewerbungsgespräch: fristlose Kündigung

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Foto von Oli Dale

Ein Arbeitnehmer war mit einem Gehalt von CHF 100‘000 während sechseinhalb Monaten bei einer Bank angestellt gewesen mit der Aufgabe, Kunden zu akquirieren und zu betreuen. Die Kündigung erfolgte wegen ungenügender Leistungen. In der Folge bezog der Arbeitnehmer fast eineinhalb Jahre Arbeitslosenentschädigung. Bei Bewerbungsgesprächen mit seiner neuen Arbeitgeberin gab der Arbeitnehmer an, in ungekündigtem Verhältnis bei einem Gehalt von CHF 180‘000 zu stehen und Kundengelder in der Höhe von 200 und 300 Millionen US-Dollar zu verwalten. Überdies habe er sich während 10 Jahren in Abu Dhabi aufgehalten. In der Folge wurde er als „Senior Private Banker“ und Mitglied der Direktion mit einem Gehalt von CHF 160’000 zuzüglich Erfolgsbeteiligung angestellt. Der Probezeitbericht nach knapp drei Monaten war positiv. Als die neue Arbeitgeberin zwei Monate später über das Arbeitszeugnis der letzten Arbeitgeberin Kenntnis von der Dauer der vorherigen Anstellung erhielt, löste sie das Arbeitsverhältnis wegen der falschen Angaben fristlos auf.
Das Bundesgericht schützte die fristlose Entlassung mit der Begründung, bei Kaderleuten sei aufgrund des ihnen entgegengebrachten Vertrauens und der hohen Verantwortung bei Pflichtverletzungen ein strenger Massstab anzulegen. Dass der Beschwerdeführer betreffend bisherige Anstellung und Berufserfahrung wahrheitswidrige Angaben gemacht habe, sei unabhängig von der Qualität seiner danach erbrachten Arbeitsleistung objektiv geeignet, die für die weitere Anstellung wesentliche Vertrauensgrundlage zu erschüttern.

(Urteil des Bundesgerichts vom 14. Februar 2011, Nr. 4A_569/2010)

2. Fristlose Kündigung, weil ein Kadermitarbeiter seine Beteiligung an einer Geschäftspartnerin der Arbeitgeberin nicht offenlegte?

Ein Arbeitnehmer wurde während seines bereits bestehenden Arbeitsverhältnisses stiller Teilhaber einer Gesellschaft (B. AG) im Bereich des Zulieferermarktes seiner Arbeitgeberin, worüber er seine Arbeitgeberin nicht orientiert hatte. Nach fünf Jahren kam es zu Geschäften der Arbeitgeberin mit der B. AG unter Federführung des Arbeitnehmers. Nach weiteren fünf Jahren verkaufte der Arbeitnehmer seine Beteiligung mit einem Gewinn von Fr. 650’000. Als seine Arbeitgeberin davon erfuhr, kündigte sie ihm fristlos.
Die fristlose Entlassung wurde von den Gerichten als ungerechtfertigt beurteilt. Das Bundesgericht erachtete das Verschweigen der Beteiligung des Arbeitnehmers an der B. AG im Zeitpunkt des Zustandekommens von Geschäftsabschlüssen mit der Arbeitgeberin zwar als grobe Pflichtverletzung. Zudem warf das Bundesgericht die Frage auf, ob der Arbeitnehmer nicht bereits im Zeitpunkt der Gründung der Firma seine Beteiligung hätte offenlegen müssen, wenn mit Geschäften der Arbeitgeberin und der B. AG zu rechnen gewesen wäre. Entscheidend war indes, dass sich der Arbeitnehmer der Arbeitgeberin gegenüber jeweils korrekt verhalten und diese bei den mit der B. AG geschlossenen Geschäften nicht benachteiligt hatte. Die Gerichte waren weiter der Auffassung, das Verhalten des Arbeitnehmers offenbare keine Gesinnung, welche eine fristlose Kündigung rechtfertige. Das Bundesgericht bezeichnete die Würdigung indes als Grenzfall.

(Urteil des Bundesgerichts vom 2. Dezember 2010, Nr. 4A_507/2010)

3. Rechtfertigt private Nutzung der betrieblichen EDV-Anlage ausserhalb der Arbeitszeit eine fristlose Kündigung?

Wenn ein Arbeitnehmer die EDV-Anlage seines Arbeitgebers übermässig nutzt, ohne dass die Arbeitsleistung beeinträchtigt ist oder es sonst zu einer merklichen Schädigung der Arbeitgeberin gekommen ist, ist eine fristlose Kündigung nicht gerechtfertigt. Im konkreten Fall kam hinzu, dass sich der Arbeitnehmer wegen einer Umstrukturierung bereits im gekündigten Verhältnis befand und die Arbeitgeberin die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit angeregt hatte und ausserdem die private Nutzung der EDV-Anlage schon für die Planung des Eigenheims des Arbeitnehmers geduldet hatte.

(Urteil des Bundesgerichts vom 6. Dezember 2010, Nr. 4A_475/2010)

4. Nachwirkendes Konkurrenzverbot

Arbeitgeber und Arbeitnehmer hatten ein Konkurrenzverbot für die deutschsprachigen Kantone vereinbart. Der Arbeitnehmer machte geltend, er habe lediglich den Raum Graubünden und das Rheintal betreut, weshalb das Konkurrenzverbot auf diesen Raum zu beschränken sei.
Das Kantonsgericht Graubünden lehnte den Einwand ab. Es führte aus, die räumliche Ausdehnung des Konkurrenzverbotes dürfe nicht weiter gehen als die intensiven Geschäftsbeziehungen des früheren Arbeitgebers. Je spezialisierter ein Geschäft sei und umso grösser damit in der Regel sein Kreis intensiver Beziehungen, desto grösser dürfe auch die Ausdehnung des Konkurrenzverbotes sein. Massgebend sei der räumliche Wirkungsbereich der besonderen Kenntnisse, die der Arbeitnehmer erwarb. Geht dieser über das Tätigkeitsgebiet des Arbeitnehmers hinaus, kann das Konkurrenzverbot weitergehen.

(Kantonsgericht von Graubünden, Urteil vom 21. September 2010, ZK2 09 77, Erw. 4.a)

5. Zulässigkeit einer Weisung des Arbeitgebers über Geldspenden an das gesamte Personal?
Zulässige Kündigung wegen Nichtbefolgung einer Weisung sowie wegen der Verletzung der Treuepflicht

Geldspenden von Kunden, die eine Arbeitnehmerin für das Personal erhält, fallen zwar – da sie nicht für den Arbeitgeber bestimmt sind – nicht unter die Herausgabepflicht von Art. 321b OR. Solche Geldspenden stellen aber auch nicht Trinkgelder dar. Daher ist eine Weisung des Arbeitgebers, wonach solche Geldspenden in die Personalkasse einzulegen sind, zulässig. Eine Kündigung aufgrund des Nichtbefolgens dieser Weisung ist nicht rechtsmissbräuchlich. Wenn die Arbeitnehmerin als Kaderfrau (Stationsleiterin) ihre Auffassung, die Weisung sei unrechtmässig, ohne Rücksprache mit der Arbeitgeberin ihren Untergebenen kundgibt und letztere sinngemäss zum Nichtbefolgen der Weisung anhält, verletzt sie überdies ihre Treuepflicht.

(Urteil des Bundesgerichtes vom 22. Dezember 2010, Nr. 4A_511/2010)

6. Kündigung vor Stellenantritt

Arbeitgeberin und Arbeitnehmer unterzeichneten am 15. Januar 2009 einen Arbeitsvertrag mit Arbeitsbeginn per 1. Juli 2009 (ordentliche Kündigungsfrist drei Monate, siebentägige Kündigungsfrist während der Probezeit). Infolge eines Einstellungsstopps kündigte die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer am 4. Februar 2009 aus wirtschaftlichen Gründen.
Nach Auffassung des Kantonsgericht St. Gallen begann die Kündigungsfrist auch bei dieser Kündigung vor Stellenantritt mit dem Zugang der Kündigung zu laufen, mit der Folge, dass die Kündigungsfrist vor Stellenantritt abgelaufen war. Im Gegensatz dazu beginnt nach der Praxis der Basler, Berner, Thurgauer und Zürcher Gerichte die Kündigungsfrist bei einer Kündigung vor Stellenantritt erst im Zeitpunkt des vorgesehenen Stellenantritts zu laufen. Das Kantonsgericht St. Gallen erachtet seine Lösung als sachgerecht, weil mit dem Einhalten der Kündigungsfrist den Parteien Zeit gegeben wird, eine neue Stelle zu suchen beziehungsweise die Stelle neu zu besetzen, und weil ein Arbeitnehmer die Stelle nicht noch für eine kurze Zeit antreten muss, sofern sich die Parteien nicht auf einen Aufhebungsvertrag einigen. Um eine faktische Unverbindlichkeit von Arbeitsverträgen, die lange vor dem Stellenantritt abgeschlossen wurden, zu vermeiden, kann man einen Termin nach Stellenantritt als frühestmöglichen für eine Kündigung vereinbaren. Bei illoyalem Verhalten einer Partei kann die Kündigung vor Stellenantritt im Weiteren zu Schadenersatz führen.

(Kantonsgericht St. Gallen, Urteil vom 25. März 2010, BZ.2009.95)