1. Kann der Arbeitgeber die Herausgabe der Einnahmen, die ein Arbeitnehmer während des Arbeitsverhältnisses durch eine konkurrenzierende Nebentätigkeit erzielt hatte, verlangen?

Ein Arbeitnehmer erledigte während des Arbeitsverhältnisses Arbeiten auf privater Basis für Dritte und erzielte dabei Einnahmen von CHF 23'595.--- Diese Nebentätigkeit führte er weitgehend in den Büroräumen der Arbeitgeberin zum Teil unter Beanspruchung der dort vorhandenen Infrastruktur und zum Teil während der regulären Arbeitszeit aus.

Nach Art. 321a Abs. 3 OR ist dem Arbeitnehmer untersagt, während der Dauer des Arbeitsverhältnisses Arbeit gegen Entgelt für einen Dritten leisten, soweit er dadurch seine Treuepflicht verletzt, insbesondere den Arbeitgeber konkurrenziert. Vorliegend erledigte der Arbeitnehmer nebenerwerblich Arbeiten, welche ohnehin nicht der Arbeitgeberin hätten vergeben werden können. Dennoch wurde eine Konkurrenzierung angenommen, weil  seine Auftraggeber in einem direkten Konkurrenzverhältnis zur Arbeitgeberin standen.

Der Arbeitgeber verlangte die vom Arbeitnehmer aus der Nebentätigkeit erzielten Einkünfte. Da der ehemalige Arbeitnehmer als Zweigstellenleiter handlungsbevollmächtigt war, schützte das Gericht das Herausgabebegehren gestützt auf Art. 464 Abs. 1 OR. Danach ist es dem Arbeitnehmer mit Handlungsvollmacht verboten, im Geschäftsbereich des Arbeitgebers ohne dessen Einwilligung auf eigene oder auf fremde Rechnung Geschäfte zu machen. Verstösst der Arbeitnehmer gegen dieses Verbot, steht dem Arbeitgeber nebst Schadenersatz zu, die betreffenden Geschäfte auf eigene Rechnung zu übernehmen. Dies umfasst  auch die Abschöpfung der erlangten Vorteile. Ob gestützt auf die arbeitsvertragsrechtliche Norm des Art. 321b OR die Herausgabe des Gewinns hätte verlangt werden können, beurteilte das Gericht als fraglich, weil diese Bestimmung nur den Herausgabeanspruch des Arbeitgebers für das bei der vertraglichen Tätigkeit Erhaltene statuiert.

(Kantonsgericht St. Gallen, Urteil vom 28. April 2011)


2. Haftung eines Arbeitnehmers, weil er eigenmächtig von den Berechnungen des Ingenieurs abgewichen ist?

Die Arbeitgeberin belangte ihren Arbeitnehmer auf Schadenersatz, weil dieser bei der Entwicklung von technischen Produkten von den Berechnungen eines Ingenieurs abgewichen war, was zu Schäden an einem Produkt führte. Der Arbeitnehmer machte geltend, die Arbeitgeberin sei ihrer Verantwortung gemäss QM-Handbuch nicht nachgekommen, weil sie ein anderes Verfahren angeordnet und auf die Kontrolle und Freigabe der einzelnen Schritte bei der Produktentwicklung verzichtet hatte. Diesbezüglich wurde festgehalten, dass der Arbeitgeber auf Verfahren des QM-Handbuches verzichten kann, weil diese in der Regel seinem Eigeninteresse an einem qualitativ hochwertigen Produkt dienen. Die Arbeitgeberin hatte auf die Kontrolle der Schritte verzichtet in der Meinung, es stehe lediglich eine weitgehend problemlose Umsetzung der Ingenieurspläne an. Da der Arbeitnehmer die Arbeitgeberin weder über die von ihm vorgenommenen Änderungen noch darüber unterrichtete, dass sich bei der Umsetzung der Ingenieurspläne Probleme ergeben hatten, hatte die Arbeitgeberin keinen Anlass, das angeordnete Verfahren mit seiner reduzierten Einbindung in den Ablauf der Produktentwicklung zu ändern.

Die Verantwortlichkeit für die Abweichung von den Ingenieursplänen und für den daraus entstandenen Schaden lag daher einzig beim Arbeitnehmer. Dessen Haftungsquote wurde indes um einen Drittel reduziert, da ein – allerdings in dieser Sache nicht zuständiger – Vorgesetzter von der Abweichung wusste, ohne einzuschreiten, und da der Arbeitnehmer im vermeintlichen Interesse der Arbeitgeberin handelte (Ersatzpflicht: CHF 18'438 zuzüglich Zins).

(Bundesgericht Urteil vom 8. Februar 2011 Nr. 4A_575/2010)


3. Ist ein auf drei Jahre vereinbartes Konkurrenzverbot wegen Einblicks in den Kundenkreis gültig?

Vereinbart war ein Konkurrenzverbot zulasten eines Arbeitnehmers, welcher im Verkauf im Aussendienst tätig war, betreffend Einblick in den Kundenkreis. Das Bundesgericht hielt fest, dass Konkurrenzverbote infolge Einblicks in den Kundenkreis regelmässig eine kürzere Dauer rechtfertigten als solche infolge Einblicks in Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse. Denn bei Einblicken in den Kundenkreis können die so gewonnenen Kenntnisse den früheren Arbeitgeber regelmässig nur während kurzer Zeit schädigen, nämlich bis der Arbeitgeber einen neuen Arbeitnehmer bei seiner Kundschaft eingeführt hat. Innerhalb von sechs oder sieben Monaten gelingt es einem neuen Aussendienstmitarbeiter in der Regel, das Vertrauen der Kunden in ihn aufzubauen und damit die Beziehungen zur Arbeitgeberin aufrecht zu erhalten. Nach diesem Zeitraum kann der ehemalige Arbeitnehmer seinem früheren Arbeitgeber keine Kunden mehr abwerben, sondern diesem nur noch durch seine persönlichen Fähigkeiten - die nicht unter dem Konkurrenzverbot stehen - Schaden zufügen. Bei solchen Konkurrenzverboten wird deshalb von einer zulässigen Dauer von sechs Monaten ausgegangen, bei einem Rahmen von wenigen Monaten bis maximal 18 Monaten. Das Konkurrenzverbot wurde daher richterlich auf eine Dauer von sechs Monaten herabgesetzt.

(Bundesgericht, Urteil vom 20. Mai 2011, Nr. 4A_62/2011)


4. Zulässigkeit der Wegbedingung der Entschädigung von Überstunden

Art. 321c OR bestimmt, dass von der gesetzlich vorgesehenen Vergütung von Überstunden (Lohn zuzüglich Zuschlag von einem Viertel) durch schriftliche Abrede im Arbeits-, Normal- oder Gesamtarbeitsvertrag abgewichen werden kann. In diesem Rahmen ist die Vereinbarung, dass die Entschädigung von Überstunden im Lohn inbegriffen ist, zulässig, wenn die Entschädigung gesamthaft für die üblicherweise voraussehbaren Überstunden als genügend erscheint.

(Bundesgericht, Urteil vom 2. Mai 2011, Nr. 4A_73/2011)


5. Massenentlassung – rechtsmissbräuchliche Kündigung bei fehlender Konsultation des Arbeitnehmers

Die Arbeitnehmerin orientierte am 2. Juni 2009 das Personal über die Entlassung von 22 Mitarbeitenden von insgesamt 24 Mitarbeitenden. Der Direktor gehörte nicht zu den Entlassenden. Am 1. Juli 2009 wurde auch dieser entlassen. Weil bei ihm das Verfahren bei Massenentlassung nicht eingehalten worden war (vg. Art. 335f OR), sprach ihm das Gericht eine Entschädigung wegen rechtsmissbräuchlicher Kündigung Art. 336 Abs. 2 lit. c OR von knapp einem Monatslohn zu. Für die tiefe Entschädigung war massgebend, dass das Verschweigen der Entlassung des Direktors von untergeordneter Bedeutung angesichts der Entlassungen der anderen Mitarbeitenden war und dass bei lediglich zwei verbliebenen Mitarbeitenden kaum erwartet werden konnte, dass der Direktor seine Anstellung noch lange behalten werde.

(Bundesgericht, Urteil vom 31. Mai 2011 Nr. 4A_173/2011)


6. Kündigungsschutz einer Arbeitnehmerin während laufendem Verfahren in Sachen Gleichstellung

Das Gleichstellungsgesetz (GlG) enthält einen wenig bekannten, aber wichtigen Kündigungsschutz: Wird einer Arbeitnehmerin während laufendem Verfahren in Sachen Gleichstellung – z.B. während einer Klage wegen Lohndiskriminierung – gekündigt, so kann die Arbeitnehmerin beim Gericht die Aufhebung der Kündigung verlangen (Art. 10 Abs. 2 GlG). Sie kann sodann für die gesamte Dauer des Verfahrens die provisorische Wiedereinstellung fordern (Art. 10 Abs. 3 GlG). Gestützt auf diese Bestimmung hob das Arbeitsgericht die Kündigung einer Arbeitnehmerin infolge eines laufenden Gleichstellungsverfahrens auf. Dabei verneinte es die oft zitierte Auffassung, es müsse sich bei der Kündigung um eine Rachekündigung handeln. Voraussetzung des Kündigungsschutzes von Art. 10 Abs. 2 GlG ist nach Arbeitsgericht lediglich, dass eine Kündigung nach Anhebung eines Gleichstellungsverfahrens ergeht. Der Arbeitgeberin steht in diesen Fällen der Nachweis offen, dass sie einen begründeten Anlass zur Kündigung hatte. Dabei können auch wirtschaftliche Gründe wie Restrukturierungs- oder andere Optimierungsmassnahmen (z.B. das Einsparen von Lohnkosten) einen begründeten Anlass darstellen. Für solche Massnahmen muss der Arbeitgeber nicht abwarten, bis der schlechte Geschäftsgang eintrifft. Im konkreten Fall machte der Arbeitgeber lediglich die zwischenzeitlich erfolgte Neubesetzung der Stelle geltend, welche indes mit dem Willen geschah, die Arbeitnehmerin loszuwerden, sowie ein weiterer Grund, welcher als rechtsmissbräuchlich erachtet wurde. Die Kündigung wurde daher aufgehoben und die provisorische Wiedereinstellung der Arbeitnehmerin angeordnet.

(Urteil des Arbeitsgerichts Zürich vom 23. Juni 2011, Urteil AN110014)


7. Muss die Lohnfortzahlung bei Krankheit auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgen?

Eine Arbeitgeberin hatte für alle Mitarbeitenden eine kollektive Salärversicherung abgeschlossen. Die Prämien gingen zulasten der Arbeitgeberin. Die Anstellungsbedingungen sahen weiter Folgendes vor: „Bei ärztlich nachgewiesener Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit erhalten Sie während 730 Kalendertagen nach Beginn der Krankheit 100% des Lohnes.“ Die Krankentaggeldversicherung leistete Taggelder lediglich im Umfang von 80% des Lohnes. Streitig war, ob die Arbeitgeberin nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch während maximal 730 Tagen die Differenz von 80% und 100% des Lohnes bezahlen musste.

Dies wurde bejaht, weil bei Vereinbarung einer Versicherungslösung davon ausgegangen wird, dass die Versicherungsleistungen über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus erbracht werden; sei es, dass die Kollektivtaggeldversicherung unverändert weiter besteht, sei es, dass ein Übertritt in eine gleichwertige Einzeltaggeldversicherung erfolgen kann. Wäre hingegen eine blosse Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers vereinbart worden, hätte im Zweifel die Verpflichtung der Arbeitgeberin nur während des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses bestanden.

(Bundesgericht, Urteil vom 6. April 2011, Nr. 4A_50/2011)

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Foto von Green Chameleon