Problempunkt

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Der Kläger ist seit 1992 bei der Beklagten, einer Versicherung, als Angestellter tätig. Seit 2000 ist er Maklerbetreuer für die Postleitzahlengebiete 32/33. Die Makler schließen die Verträge mit Endkunden, insbesondere Lebensversicherungen. Vom Homeoffice aus betreut der Kläger die Verbindungen zu Vetriebspartnern und deren Akquise. Außerdem erarbeitet er Vorschläge für verkaufsfördernde Aktionen. Er berichtet mit elf Kollegen an die Gebietsdirektion N 1. Im Januar und Februar 2006 warb der Kläger nur einen neuen Vertriebspartner an, wohingegen seine Kollegen im Schnitt 3,8 gewinnen konnten. Im selben Zeitraum lag seine Nettobeitragssumme ca. 80% unter der der übrigen Maklerbetreuer. Darüber hinaus wies der Kläger die höchste Stornoquote auf. Nachdem das Unternehmen mehrere Kritikgespräche mit ihm geführt hatte, mahnte es ihn am 22.3.2006 ab. Daraufhin klagte der Maklerbetreuer auf Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte. Die Klage blieb in beiden Instanzen ohne Erfolg.

Entscheidung

Das LAG Hamm hielt die Abmahnung für berechtigt  und wies die Klage deshalb ab. Die Abmahnung ist hinreichend konkret. Sie dokumentiert die gerügten Leistungsdefizite – unterdurchschnittliche Neuanbindung von Maklern, erwirtschaftete Beitragssummen – nicht nur schlagwortartig und verdeutlicht die Erwartungen, nämlich eine Steigerung der Leistung bis zum Schnitt der Kollegen. Dabei kann sich die Beklagte nur an den ihr bekannten objektiv messbaren Arbeitsergebnissen orientieren. Ob ein Außendienstler seine persönliche Leistungsfähigkeit nicht ausschöpft („kann nicht“) oder vertragswidrig sein Aufgabengebiet zeitlich und/oder qualitativ unzureichend betreut („will nicht“), bleibt dem Arbeitgeber verschlossen. Die Abmahnung beruht nicht auf unzutreffenden Tatsachen. Auszugehen ist vom subjektivdynamischen Leistungsmaßstab, d.h. der Arbeitnehmer muss tun, was er soll, und zwar so gut, wie er kann. Die Tatsache, dass er deutlich und längerfristig den Mittelwert unterschreitet, ist für den Arbeitgeber oft der einzige Hinweis dafür, dass er sein Potenzial nicht ausschöpft. Es ist dann Sache des Mitarbeiters, die Zahlen, die der Arbeitgeber ermittelt hat, und ihre Aussagefähigkeit im Einzelnen zu bestreiten oder Umstände darzulegen (z.B. Alter, Krankheit, betriebliche Gründe), warum er mit seiner Leistung seine persönlichen Möglichkeiten gleichwohl ausschöpft.

Vorliegend konnte die Beklagte die Durchschnittsleistung der elf Kollegen sowie die Leistung des Klägers, der diese deutlich unterschritt, genau vortragen. Der Gebietszuschnitt (ländlich, urban, Kaufkraft) vermag diese negative Abweichung nicht plausibel zu rechtfertigen. Allgemeine Schwierigkeiten, Lebensversicherungen zu verkaufen, trafen alle.

Die sachlich formulierte Abmahnung ist nicht unverhältnismäßig. Die Leistungseinbrüche des Klägers waren nach Dauer und Umfang keine Bagatellen oder Flüchtigkeitsfehler. Da Abmahnungen i.d.R. eine Wirkungsdauer von zwei bis drei Jahren haben, war sie im vorliegenden Fall nach 1¾ Jahren auch noch nicht zu entfernen.

Konsequenzen

Die Entscheidung fasst zum einen mustergültig zusammen, wann eine Abmahnung unberechtigt und deshalb nach §§ 242, 1004 BGB zu entfernen ist. Dies ist der Fall, wenn sie:

  • nur pauschale, unpräzise Vorwürfe erhebt, die weder hinreichend genaue zeitliche Angaben noch Einzelheiten und Umstände der angesprochenen Vorfälle enthalten;
  • unrichtige oder nicht beweisbare Tatsachenbehauptungen aufstellt;
  • unverhältnismäßig ist;
  • verwirkt ist, d.h. zu spät ausgesprochen wird;
  • trotz zutreffender Tatsachenfeststellung die Grenzen des vertraglichen Rügerechts durch Formulierungen überschreitet, die nicht zu billigende Überreaktionen, Ehrverletzungen oder unsachliche Werturteile enthalten;
  • auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber beruht oder
  • nicht durch ein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers am Verbleib der Abmahnung in der Personalakte gedeckt ist.

Zum anderen stellt die Entscheidung klar, dass für eine Abmahnung wegen Low Performance grundsätzlich die zur Kündigung entwickelten Grundsätze gelten, insbesondere was den subjektiv-dynamischen Leistungsmaßstab und die abgestufte Verteilung der Darlegungs- und Beweislast angeht (BAG, Urt. v. 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, vgl. AuA 2/04, S. 44 f.; Wellhörner/ Barthel, AuA 7/05, S. 400 ff.). Das LAG lässt erkennen, dass der Arbeitgeber aber auch bei einer Unterschreitung der Durchschnittsleistung um weniger als ein Drittel berechtigt abmahnen kann. Kündigungsrechtlich muss er jedoch Leistungen von mehr als 66% hinnehmen, auch wenn sich dadurch das Gegenseitigkeitsverhältnis von Arbeitsleistung und Entgelt erheblich verschiebt.

Praxistipp

Wegen Low Performace sollte der Arbeitgeber stets zunächst das Gespräch mit dem Mitarbeiter suchen, um Ursachen und Besserungs- bzw. Hilfemaßnahmen zu klären (LAG Nürnberg v. 12.6.2007 – 6 Sa 37/07). Bleiben diese erfolglos und die Leistung weiter unterdurchschnittlich, kann er abmahnen, wobei er sich auf konkrete, beweisbare Fakten konzentrieren und diffamierender, pauschaler Vorwürfe enthalten muss. Er sollte außerdem die erwartete Leistung – z.B. die Durchschnittsleistung – verdeutlichen (LAG Sachsen v. 7.4.2006 – 3 Sa 425/05, vgl. AuA 1/07, S. 56 f.).

RA Volker Stück, Aschaffenburg

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht – Personal-Profi – 8/08