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Bei Betriebsratsmitgliedern besteht die Besonderheit, dass es zwei verschiedene Arten von Abmahnungen gibt: die individualrechtliche und die betriebsverfassungsrechtliche. Nach der Rechtsprechung muss bei Pflichtverletzungen von Mitgliedern des Gremiums genau unterschieden werden, wo diese herrühren und die Sanktionen daran ausgerichtet werden.

 

Verletzt ein Betriebsrat seine arbeitsvertraglichen Pflichten, ist eine Abmahnung möglich, z. B. Zuspätkommen zur Arbeit, Nichtbeachtung der Ab-/Rückmeldepflicht (BAG, Urt. v. 15.7.1992 – 7 AZR 466/91, NZA 1993, S. 220). Verletzt ein Betriebsratsmitglied dagegen ausschließlich betriebsverfassungsrechtliche Amtspflichten, sind individualrechtliche Sanktionen – wie der Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung oder einer individualrechtlichen Abmahnung, mit der kündigungsrechtliche Konsequenzen in Aussicht gestellt werden – ausgeschlossen (BAG, Urt. v. 26.1.1994 – 7 AZR 640/92). Hier ist nur eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung möglich.

 

Bei einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung sollte darauf geachtet werden, das Abmahnungsschreiben nicht mit der „Androhung“ individualrechtlicher Sanktionen zu verbinden. Diese Abmahnung darf für den Fall der Wiederholung des Verstoßes gegen eine betriebsverfassungsrechtliche Amtspflicht allein auf einen Antrag nach § 23 Abs. 1 BetrVG hinweisen.

Zudem sollte man eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung nicht in die Personalakte nehmen, sondern zu den Akten, die für die Zusammenarbeit und Korrespondenz mit dem Betriebsrat geführt werden.



Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht | Ausgabe 07 / 2016 | www.arbeit-und-arbeitsrecht.de

 

Im Mai 2011 schloss die Arbeitgeberin mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über den Einsatz von Leiharbeitnehmern in einem ihrer Bereiche ab. Diese versandte der Betriebsratsvorsitzende im Dateianhang einer E-Mail an alle Arbeitnehmer des Konzerns mit dem Hinweis, sie könne eine mögliche Hilfestellung für alle Betriebsräte des Konzerns darstellen. Daraufhin erteilte die Arbeitgeberin dem Betriebsratsvorsitzenden eine „Abmahnung als Betriebsrat“. Sie rügte, der Vorsitzende habe gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstoßen, indem er die Betriebsvereinbarung über den Einsatz von Leiharbeitnehmern mit einer E-Mail an alle Mitarbeiter des Konzerns versandt hatte. In der Abmahnung wurde angeführt, dass der Betriebsratsvorsitzende aufgrund seiner Position lediglich berechtigt sei, sich an die Beschäftigten des Unternehmens zu wenden. Er sei hingegen nicht berechtigt, abgeschlossene Betriebsvereinbarungen an Arbeitnehmer außerhalb des Unternehmens zu versenden. Hierbei handele es sich um externe Dritte, selbst wenn sie dem Konzern angehörten. Zum Schluss der Abmahnung hieß es: „Sollten Sie erneut gegen das Prinzip der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstoßen und sich in entsprechender Art und Weise pflichtwidrig verhalten, müssen Sie damit rechnen, dass wir Ihren Ausschluss als Betriebsratsmitglied beim Arbeitsgericht beantragen werden (§ 23 BetrVG). Gegebenenfalls könnte sogar eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht kommen.“

 

Hiergegen leitete der Betriebsrat ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren ein. Dabei stellte er sowohl für das Gremium als auch für den Vorsitzenden Abmahnungsentfernungsanträge. Zudem wurde die Feststellung der Unwirksamkeit der Abmahnung begehrt. Der Betriebsrat und der Vorsitzende waren der Auffassung, dass die Abmahnung sie unzulässig i. S. v. § 78 Satz 1 BetrVG behindere. Zudem sei eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung auch grundsätzlich unzulässig.

Das BAG wies den – zulässigen – Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der Abmahnung zurück. Die Unwirksamkeit einer Abmahnung stellt kein nach § 256 ZPO feststellungsfähiges Rechtsverhältnis dar. Dem Betriebsrat steht als Gremium kein aus § 78 Satz 1 BetrVG folgender Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte eines seiner Mitglieder zu. Hierbei handelt es sich um ein höchstpersönliches Recht des Betroffenen (vgl. BAG, Beschl. v. 4.12.2013 – 7 ABR 7/12, NZA 2014, S. 803).

 

Das BAG bejahte einen Anspruch des Betriebsratsvorsitzenden auf Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte. Dieser ergibt sich – ebenso wie im Fall unberechtigter individualrechtlicher Abmahnungen – aus einer entsprechenden Anwendung von §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Anspruch besteht, wenn die Abmahnung entweder inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt und auch dann, wenn selbst bei einer zu Recht erteilten Abmahnung kein schutzwürdiges Interesse des Unternehmens mehr an deren Verbleib in der Akte besteht (BAG v. 4.12.2013, a. a. O.).

 

Die Abmahnung war nach dem BAG bereits deshalb aus der Personalakte des Vorsitzenden zu entfernen, weil der Arbeitgeber den Vorwurf einer Amtspflichtverletzung mit der Androhung einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses sanktioniert  hatte. Vor dem Hintergrund, dass mit der Abmahnung keine Verletzung einer arbeitsvertraglichen Pflicht gerügt wurde, liegt in der Kündigungsandrohung eine unzutreffende rechtliche Bewertung des Verhaltens des Betriebsratsvorsitzenden. Verletzt ein Betriebsratsmitglied ausschließlich betriebsverfassungsrechtliche Amtspflichten, sind nach ständiger Rechtsprechung vertragsrechtliche Sanktionen, wie der Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung oder einer individualrechtlichen Abmahnung, mit der kündigungsrechtliche Konsequenzen in Aussicht gestellt werden, ausgeschlossen. Offen ließ der 7. Senat, ob der Betriebsratsvorsitzende durch das Versenden der E-Mail an alle Mitarbeiter des Konzerns gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten verstoßen hatte.