BAG, 15.02.2011, 3 AZR 35/09

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AUSLEGUNG EINER VERSORGUNGSZUSAGE

Im Rahmen der Auslegung einer Versorgungszusage hat das BAG festgestellt, dass solche Begleitumstände, die nur den konkreten Vertragspartnern bekannt sind oder die den konkreten Einzelfall kennzeichnen, grundsätzlich nicht berücksichtigt werden können. Zur Auslegung heranzuziehen seien demgegenüber Begleitumstände dann, wenn sie nicht ausschließlich die konkrete Vertragssituation betreffen, sondern den Abschluss einer jeden vergleichbaren vertraglichen Abrede (wie im vorliegenden Fall ein allgemeines Mitarbeiter-Informationsschreiben).

KÜNDIGUNG EINER GESAMTZUSAGE DURCH ABLÖSENDE BETRIEBSVEREINBARUNG

Nach ständiger Rechtsprechung des BAG kann eine Gesamtzusage über Leistungen der betrieblichen Altersversorgung durch eine inhaltsgleiche Betriebsvereinbarung dauerhaft abgelöst werden, wenn die Gesamtzusage betriebsvereinbarungsoffen ist oder aber der Arbeitgeber sich den Widerruf des Versorgungsversprechens vorgehalten hat. Ersetzen die Betriebsparteien die Gesamtzusage in diesem Fall durch eine inhaltsgleiche Betriebsvereinbarung, lebt die Gesamtzusage nach Auffassung des BAG nach Beendigung der Betriebsvereinbarung nicht wieder auf.

BETRIEBSVEREINBARUNGSOFFENHEIT

In Bezug auf das Merkmal Betriebsvereinbarungsoffenheit hat das BAG nochmals klargestellt, dass dieses nicht ausdrücklich in der Gesamtzusage formuliert sein muss, sondern sich auch aus den Gesamtumständen ergeben kann; wie z.B. im vorliegenden Fall aus dem Hinweis, dass die Leistung auf mit dem Betriebsrat abgestimmten Richtlinien beruht.

WIDERRUFSRECHT

In seiner Entscheidung hat das BAG zudem hervorgehoben, dass der Ausschluss des Rechtsanspruchs in Satzungen und Versorgungsplänen von Unterstützungskassen als Widerrufsrecht auszulegen sei, welches an sachliche Gründe gebunden ist. Da der Arbeitgeber, der die betriebliche Altersversorgung über eine Unterstützungskasse abwickele, sein Versorgungsversprechen regelmäßig in dem Umfang begrenzen will, wie es Satzung und Richtlinien der Unterstützungskasse vorsehen, beinhalte auch seine Versorgungszusage diesen Widerrufsvorbehalt. Die Widerrufsmöglichkeit aus sachlichem Grund sei damit “integraler Bestandteil” der zugesagten Versorgung.

VERHÄLTNISMÄßIGKEIT

Ferner bestätigt das BAG nochmals, dass die Möglichkeiten eines Arbeitgebers, durch Kündigung einer Betriebsvereinbarung über betriebliche Altersversorgung auf die Versorgungsanwartschaften der begünstigten Arbeitnehmer einzuwirken, beschränkt sind. Bezogen auf eine ablösende Betriebsvereinbarung heißt es, dass Eingriffe in Anwartschaften nur in den sich aus den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes ergebenden Grenzen zulässig sind (sog. Drei-Stufen-Theorie). Anderenfalls bleibe die Betriebsvereinbarung im Umfang der sich aus der Drei-Stufen-Theorie ergebenden Beschränkungen auch nach ihrer Kündigung als normativ unmittelbar und zwingend geltende kollektiv-rechtliche Grundlage erhalten.

NACHWIRKUNG EINER GEKÜNDIGTEN BETRIEBSVEREINBARUNG

Der 3. Senat hat es dagegen (weiterhin) offen gelassen, ob auch gekündigte Betriebsvereinbarungen über Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach § 77 Abs. 6 BetrVG nachwirken können. Denn im vorliegenden Fall lagen bereits die Voraussetzungen für eine (allgemeine) Nachwirkung nicht vor, da nach der Kündigung der Betriebsvereinbarung keine Mittel mehr zur Verfügung standen, über deren Verteilung der Betriebsrat hätte mitbestimmen können.