Weltweite Zusammenarbeit ist nur möglich, weil Verständigung über Grenzen hinweg möglich ist. Das Vehikel der Verständigung ist Englisch, das sich als Lingua franca - als internationale Verkehrssprache - etabliert hat. Seit dem Versailler-Vertrag, dem ersten wichtigen internationalen Dokument, das auch auf Englisch verfasst wurde, hat sich die Sprache kontinuierlich zur Weltsprache entwickelt. Das „global English“, eine sich vom Ursprungsidiom entfernende internationale Variante, sprechen geschätzte 1,8 Milliarden Menschen – daneben sind die ungefähr 400 Millionen englischen Muttersprachler inzwischen zur Minderheit geworden. Englisch gilt als die weltweit wichtigste Zweitsprache.

In den meisten Jobs ist Englisch eine Schlüsselqualifikation. „Company language“ ist in Organisationen auch dann Englisch, wenn die dominierende Kultur eine andere Sprache spricht. Täglich wird in unzähligen Meetings auf Englisch parliert, präsentiert, ausgetauscht, verhandelt und entschieden. Konferenzen und Fachveranstaltungen versammeln Dutzende Nationalitäten. Englisch ermöglicht den Austausch unter Experten. Alles läuft so gesehen bestens, meint man. Die globale Verständigung funktioniert.

Aber ist das wirklich so? In Anbetracht unsers Strebens, selbst in Mikrobereichen Effizienz zu schaffen und Prozesse zu optimieren, muss zumindest die Frage erlaubt sein, ob in Organisationen nicht doch einiges auf der Strecke bleibt, wenn wir in einer fremden Sprache Menschen führen, Gedanken und Gefühle vermitteln, Beziehungen gestalten und komplexe Sachverhalte transportieren müssen. Ob wirklich alle wesentlichen Informationen verstanden werden. Ob tatsächlich alle an der Kommunikation teilhaben, die nickend im Meeting sitzen. Ob Beschlüsse von allen Beteiligten verstanden und umgesetzt werden. Ob Vertrauen und Wertschätzung - beides wesentliche Grundlagen der Zusammenarbeit - entstehen können.

Verlorene Information

Die Praxis offenbart: Es holpert. Es klemmt. Manches ist absurd, vieles ist unausgesprochen. Das Meiste davon ist lösbar, wenn wir es ernst nehmen. Und es bietet Potenzial für die Entwicklung von Menschen, Teams und Organisationen. Dazu zwei Beispiele:

Ein internationales Experten-Team tagt, das „Brain“ der Gruppe trägt vor. Als Inder spricht er bestens Englisch, einzig: sein Akzent ist kaum zu verstehen. Ging es allen Zuhörern so? Ausnahmslos. Ist das in jedem Meeting so? Ja. Weiß der Sprecher das? Nein. Warum nicht? Wir können es ihm nicht sagen – aus Gründen der Gesichtswahrung und des Respekts. Wie viel Prozent der Information geht verloren? Knapp ein Drittel.

Beispiel zwei: Die Entwicklung eines Großteams, 60 Teilnehmer aus mehreren Ländern. Es bildet sich eine Untergruppe, die beharrlich schweigt – die Kollegen aus dem Werk in Osteuropa. Es stellt sich heraus: Eine Verständigung auf Englisch mit den deutschen Kollegen ist möglich, aber nicht über fachliche Themen oder Arbeitsbeziehungen. Dies fällt umgekehrt auch vielen Deutschen im Team schwer. Also wird auf der Veranstaltung Deutsch gesprochen, was die Kollegen aus Osteuropa gar nicht verstehen – und damit vom Austausch im Team ausgeschlossen bleiben. Frage ans Team: Läuft das immer so? Antwort: Immer.

Es braucht mehr Ehrlichkeit

Die Erfahrung zeigt, dass oft übergangen wird, was eigentlich ein profundes Problem ist: Ein Geschäftsleitungsteam, in dem sich auf Englisch keiner eine Blöße geben will – dann wird nichts gesagt, werden Themen ausgespart oder man bleibt Meetings einfach fern. Die Dynamik in Teams einer Nationalität, die komplett erlahmt, wenn eine zweite Nationalität hinzukommt und man ins Englische wechseln muss. Die durchaus erheiternden Sprachschöpfungen, die in solchen Zusammensetzungen aus direkten Übersetzungen entstehen. „Be a little bit more pregnant“ ist hierbei Favorit vieler englischer Muttersprachler, die mit Deutschen zusammenarbeiten - das deutsche „prägnant“ und das englische Wort „pregnant“ für „schwanger“ haben nun mal grundlegend unterschiedliche Bedeutungen.

Was ist zu tun? Es braucht mehr realistische Einschätzung und Ehrlichkeit, was die Kommunikation in Organisationen betrifft. Konkrete Antworten auf die Fragen: Wie gut ist unsere Verständigung auf Englisch? Wer oder was geht verloren? Was kostet es uns, dass die Verständigung auf Englisch nicht gut läuft? Was bringt es uns, dass wir die Verständigung verbessern? Und: Wie verbessern wir sie? Welche Maßnahmen der Personal- und Organisationsentwicklung braucht es, um die Verständigungsprobleme zu lösen. Wie viel Sorgfalt müssen wir bei der Umsetzung verwenden, um dem Problem wirklich gerecht zu werden?

Diese Fragen lassen sich nicht pauschal beantworten, aber sie sollten in jeder internationalen Organisation gestellt und bei jeder Maßnahme der Organisationsentwicklung angemessen berücksichtigt werden. Das ist aufwändig, aber es lohnt sich. Dafür spricht bereits die Erfahrung, dass zum Beispiel Teilnehmer in Teamworkshops völlig andere Dinge erzählen, wenn man sich mit Ihnen in ihrer Muttersprache unterhält. Klar ist auch: Eine kurzfristige Lösung des hier beschriebenen Englisch-Problems gibt es nicht. Auch wenn der amerikanische Autor Mark Twain – von der deutschen Sprache gleichermaßen angezogen und abgestoßen - über sein geliebtes Englisch behauptete: „Ich bin überzeugt, dass man Englisch in 30 Stunden, Französisch in 30 Tagen und Deutsch in 30 Jahren lernen kann.“

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