„Unser Anspruch als Personaler muss sein, Strategien mitzuentwickeln statt nur umzusetzen. Wir können die richtigen Lösungen skizzieren, denn wir haben die notwendigen Kompetenzen“, sagte Dr. Ariane Reinhart, Vorstandsvorsitzende der DGFP und Personalvorständin der Continental AG. Als Wegbereiter und Enabler arbeite HR gemeinsam mit dem Business an den großen Fragen der Gegenwart – Demografie, Diversität, Digitalisierung – und leiste so einen wesentlichen Beitrag, um Organisationen zukunftsfest zu machen. Allerdings erfordere dies Mut und Entschlossenheit: „Brecht aus eingefahrenen Konzepten aus, experimentiert mit neuen Formaten und Technologien und teilt euer Erfahrungswissen!“, appellierte Reinhart an das Plenum.

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Foto von Austin Distel

Raum für Neues bot der DGFP // congress reichlich. Die Teilnehmer konnten unter Good-Practice-Präsentationen, CoCreation-Workshops und Working Labs wählen. Die digitale Transformation zog sich als roter Faden durch die Veranstaltungen, etwa die Fallstudien aus Konzernen und dem Mittelstand. In den Working Labs stand der direkte Kompetenzerwerb im Vordergrund, beispielsweise im Umgang mit People Analytics. Moderierte Erfahrungsaustauschrunden luden zum vertrauensvollen Dialog unter Kollegen ein.

Der Tagungsort XPOST, ein 1895 errichtetes, ehemaliges Postamt in Backsteinarchitektur, stand in auffälligem Kontrast zum Kongressprogramm. Wer wollte, hatte Gelegenheit, seinen Horizont auf ganz Köln auszuweiten: Die HR Innovation Tour führte per Bus zu Digitalpionieren wie REWE digital oder dem Start-up-Inkubator Startplatz.

Strategische Personalplanung – die Mutter der HR-Arbeit

Die knapp 100 Referenten aus Unternehmen und Organisationen, darunter Accenture, ADAC, AXA, Bilfinger, Continental, Deutsche Bahn, Deutsche Bank, Fraunhofer IAO, Lufthansa, PULS, Roche, Universität St. Gallen, Wollmilchsau, Zalando, gaben ihre Erfahrungen mit der neuen Arbeitswelt weiter – unter anderem zu Lernstrategien, Kulturwandel und virtuellen Teams. Die DGFP setzte Akzente in Themen wie Mitbestimmung 4.0 und Big Data. 

Mit strategischer Personalplanung befassten sich gleich mehrere Referenten. Hier eröffne sich ein Feld, auf dem HR seine Stärken in besonderer Weise ausspielen könne. „Für mich ist strategische Personalplanung die Mutter der HR-Arbeit“, sagte die DGFP-Vorstandsvorsitzende Reinhart. Dazu gehörten die akribische Bestandsanalyse, die Standardisierung von Jobprofilen sowie das Up- und Reskilling der Belegschaften. „Räumt eure Daten auf, dann könnt ihr Aussagen für die Zukunft ableiten!“, sagte Reinhart.

Damoklesschwert Fachkräftemangel

Dass dieser Ansatz für die Betriebe überlebensnotwenig ist, machte Raimund Becker deutlich. Der Vorstand Regionen der Bundesagentur für Arbeit (BA) beschrieb den Fachkräftemangel als eines der drängendsten Probleme der deutschen Wirtschaft. Spätestens 2025 stünden quantitativ nicht mehr genügend Menschen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Qualitativ klaffe schon heute eine Lücke zwischen Angebot und Nachfrage: Von den 800 000 offenen Stellen, die der BA aktuell gemeldet seien, richteten sich 80 Prozent an Fachkräfte. Bei den Arbeitslosen sähe es genau umgekehrt aus: Hier besäßen 80 Prozent keine formale Bildung. „Das zeigt einmal mehr, dass Qualifizierung ein Riesenthema bleibt“, sagte Becker.

Die Bedeutung von Qualifizierung als Schlüssel zu einem ausbalancierten Fachkräftemarkt unterstrich auch Professor Dr.-Ing. Dieter Spath, Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften und Leiter des Fraunhofer IAO. „Wir müssen Weiterbildungsweltmeister werden!“, forderte er. Unter den Vorzeichen von Digitalisierung und Industrie 4.0 würde der Mensch interaktiv und kooperativ in Cyber-Physical-Systems eingebunden, was völlig neue Anforderungen an seine Eigenverantwortung und seinen Gestaltungswillen stelle. „Das nötige Upgrading der Qualifizierung wird mehr und mehr on the job passieren“, sagte Spath. Dies verändere auch die Rolle der Führungskräfte: „Wenn wir vom Lecturing zum Coaching übergehen, heißt das, dass sie sich stärker in der Weiterbildung engagieren müssen.“

Nicht nur an der Oberfläche kratzen

Mit weiteren neuen Herausforderungen im Leadership konfrontierte Professorin Dr. Heike Bruch das Plenum. Inspirierende Führung bedeute nicht, die Mitarbeiter sich selbst zu überlassen. „Im Augenblick beobachten wir, dass manche Unternehmen planlos Hierarchieebenen abbauen und dadurch in ein Führungsvakuum stürzen“, sagte die Leiterin des Instituts für Führung und Personalmanagement der Universität St. Gallen. „Die Mitarbeiter brauchen die Möglichkeit, die nötigen Kompetenzen in Selbstführung zu erwerben.“ Es werde oft nur an den Oberflächenstrukturen gekratzt, statt die Tiefenstrukturen zu verändern: „Die digitale Transformation geschieht nicht von heute auf morgen – das ist eine Langzeitaufgabe.“

Wie eine Frischzellenkur für das Leadership ausschauen kann, deutete Dr. Bettina Volkens an, Vorstandsmitglied für Personal und Recht der Lufthansa Group: „Wir wollen, dass sich unsere Führungskräfte bewegen.“ Lufthansa verfolgt daher eine Rotation Policy, die regelmäßige Positionswechsel nach fünf Jahren vorsieht. Ein anderes Instrument ist das Talenteprogramm „Makers of Tomorrow“. Anders als bei herkömmlichen Nachwuchskräfteprogrammen bestimmen nicht die Vorgesetzten, wer teilnimmt – sondern die Beschäftigten selbst. Per App bewerben sich konzernweit Interessenten, und ebenfalls per App können ihre Kollegen Empfehlungen aussprechen. 8 000 Beschäftigte nutzten die App und gaben innerhalb von drei Wochen 40 000 Feedbacks. 

Renaissance des Menschlichen

Die Chancen der Digitalisierung wahrzunehmen, blieb auf dem DGFP // congress keine bloße Absichtserklärung. Die Panel-Diskussion „Die digitale Transformation in der Gesellschaft – Brauchen wir eine konzertierte Aktion?“ zwischen Professor Dr. Wilhelm Bauer (Fraunhofer IAO), Björn Böhning (Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium), Francesco Grioli (IG BCE) und Dr. Ariane Reinhart (Continental) führte zu einem greifbaren Ergebnis: Spontan beschlossen die Teilnehmer, einen gemeinsamen Design-Thinking-Workshop zu veranstalten, der möglichst viele Aspekte der digitalen Transformation behandeln und einen breiten gesellschaftlichen Dialog anstoßen soll. „Auf jeden Fall ist die Digitalisierung mehr als eine technologische Revolution“, fasste ein Personaler im Plenum die zwei Tage in Köln zusammen. Die gute Nachricht laute: „Die Digitalisierung entlastet uns von Routinen. Sie bewirkt eine Renaissance dessen, was allein der Mensch kann – konzeptionelles Denken, Teamwork, Kommunikation.“


Quelle: DGFP e.V.